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Der Star-Perkussionist Martin Grubinger.

© Foto: Simon Pauly/martingrubinger.com

Martin Grubinger und die Staatskapelle Berlin: Welten ausmalen

Furioses mit dem Multiperkussionisten Grubinger, feine Töne bei Gubaidulina und Schostakowitsch: Die Staatskaplle unter Gustavo Gimeno in der Philharmonie.

Er ist ein Performer im besten Sinne: Im Nu verwandelt Martin Grubinger den Konzertabend in der Philharmonie eine Zirkusnummer mit vergnüglichen Show-Effekten, kaum dass er zum Auftakt seine Schlägel senkrecht auf die Trommel fallen lässt. Ihr Hüpfen produziert ein kurzes Accelerando, woraufhin der Star-Perkussionist archaische Rufe ausstößt – ein Alphatier, das sich bei allem Furor über den eigenen Machismo amüsiert.

Peter Eötvös’ 24-Minuten-Werk „Speaking Drums“ (2012), nach vier Nonsensgedichten von Sándor Weöres (quasi der ungarische Ernst Jandl), ist wie geschaffen für Grubinger. Kann er doch wie ein Derwisch zwischen seinem Instrumentarium herumwirbeln, mal der Pedalpauke schnelle Glissandi entlocken, mal die Röhrenglocken rasant bespielen, mal en passant die seinen Parcours säumenden Becken anschlagen, bevor er seine Virtuosität an Holzblöcken samt Kuhglocke und natürlich am Marimbaphon unter Beweis stellt.

Was für ein Spaß. So wäre man zu gerne auch mal Maître de plaisir: Die Staatskapelle, erstmals unter Leitung des 46-jährigen Spaniers und Luxemburger Musikdirektors Gustavo Gimeno, rollt Klangteppiche aus und stellt Grubinger Zerrspiegel zur Seite. Zuguterletzt eilen gar die beiden Orchester-Schlagzeuger nach vorne und kredenzen dem Solisten Pfanne, Topf und Blechdeckel - zu dessen gefälligen Verwendung.

Der 39-jährige Österreicher hat angekündigt, dass er schon nächstes Jahr seine Bühnenkarriere beenden wird, pünktlich zu seinem 40. Geburtstag. Im Juli will er in Tulln seinen Abschied geben. In Berlin wird er zum letzten Mal Ende Januar mit dem Deutschen Symphonie-Orchester auftreten. Jetzt also doch noch keine Derniere, mit Tan Duns eigens für Gruber verfasstem Schlagzeugkonzert „The Tears of Natures“ (ebenfalls 2012). Das mit chinesischen Volksweisen versetzte Klagelied angesichts der Natur- und menschengemachten Katastrophen der jüngeren Zeit fährt einem mit markanten Rhythmen in die Magengrube, ist aber nicht frei von wohlfeilen Effekten.

Zu „Sacre“-Anklängen, Bigband-Sound und Musical-Melodik gesellt sich ein ostinates, von vier Schlagzeugern mit Geigenbögen auf Klangschalen evoziertes Sirren – ein weiteres fantastisches Spielfeld für Grubinger.

Tanzen bis zum Umfallen? Der zarte Beginn mit Harfe und Steineklopfen oder das Marimba- Pianissimo zu gezupften Celli hinterlassen am Ende mehr Eindruck – was sich nach der Pause mit Sofia Gubaidulinas kurzem „Märchenpoem“ fortsetzt. Ein paar Intervalle nur, eine zauberhaft ausgreifende Melodie und schon öffnet sich ein weiter, emotionaler Raum.

Wenn das im Märchen immer kleiner werdende Kreidestück kurz vor seinem „Tod“ doch noch Traumwelten ausmalen darf, evoziert der so pointiert wie souverän dirigierende Gimeno jene vibrierenden, hell glühenden Klangwelten, von denen man sich auch in Dmitri Schostakowitschs anschließender, 1926 uraufgeführter 1. Symphonie f-Moll mehr gewünscht hätte.

Mehr Frage-, weniger Ausrufezeichen. Schostakowitsch war da schließlich noch auf der Suche nach seinem eigenen Raum zwischen den musikalischen Welten der anderen Komponisten seiner Zeit.

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