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Kultur: Mein Russland, dein Russland

Europas Nationen als Nachbarn: Wenn von den Gipfeltreffen dieser Tage oder auch von den deutschrussischen Kulturbegegnungen 2003/2004 die Rede ist, wird mit dem Deutschlandbild der Russen, dem Russlandbild der Deutschen, mit Spiegelungen und Vexierspielen nicht geknausert. Da werden „Fremdbilder“ gegen „Selbstbilder“ gesetzt, da sollen sich die einen von den andern ein Bild machen und die andern ihr Bild von den einen verbessern, während beide Seiten zur „Reflexion gegenseitiger Bilder“ angehalten werden – eine Spiegelreihe ins Unendliche stellt man sich unwillkürlich vor.

Europas Nationen als Nachbarn: Wenn von den Gipfeltreffen dieser Tage oder auch von den deutschrussischen Kulturbegegnungen 2003/2004 die Rede ist, wird mit dem Deutschlandbild der Russen, dem Russlandbild der Deutschen, mit Spiegelungen und Vexierspielen nicht geknausert. Da werden „Fremdbilder“ gegen „Selbstbilder“ gesetzt, da sollen sich die einen von den andern ein Bild machen und die andern ihr Bild von den einen verbessern, während beide Seiten zur „Reflexion gegenseitiger Bilder“ angehalten werden – eine Spiegelreihe ins Unendliche stellt man sich unwillkürlich vor. Nützlich für uns Deutsche ist, dass wir uns nicht erst ein Russlandbild machen müssen – wir haben nämlich schon eins, oder, um genau zu sein, wir nennen eine ganze Serie von Russlandbildern unser eigen. Die Franckeschen Stiftungen zu Halle haben sie aufgekauft, und wer sie sehen will, kann sie in dem Bildband „Die Zarin und der Teufel“ entdecken. Katharina die Große zum Beispiel, in einer englischen Karikatur aus dem Jahr 1791 (unser Bild), wie sie ihre Hände begehrlich Richtung Konstantinopel ausstreckt. 150 historische Abbildungen versammelt der Band, alle nähern sich auf unterschiedliche Weise dem Phänomen Russland – lauter Spiegelscherben eines Porträts der russischen Seele.

Zusammengetragen hat die Bilder der russische Sammler Dmitrij Rowinskij (1824-1895), der im 19. Jahrhundert in ganz Europa Gemälde, Stiche und Karikaturen aufkaufte, 480 Blätter aus vier Jahrhunderten, alle mit dem einen gemeinsamen Nenner Russland. Das Buch stellt ernst dreinblickende Fürsten neben aberwitzige politische Karikaturen, geistliche Welterklärung neben aufklärerischen Weltgeist, anzüglich Zotiges neben zugeknöpft Züchtiges. Manche Bilder erhellen ungeahnte Aspekte des russischen Alltags, andere verraten mehr über Herkunftsland und geistigen Horizont des jeweiligen Zeichners. Einige bedienen europäische Klischees, andere strafen gängige Vorstellungen von Russland Lügen, alle gemeinsam haben das Zeug dazu, unser Russlandbild vom Kopf auf die Füße zu stellen. jm

Die Zarin und der Teufel – Europäische Russlandbilder aus vier Jahrhunderten. Verlag der Franckeschen Stiftungen zu Halle und Franz Steiner Verlag Stuttgart. 276 Seiten, 25,- €.

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