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Kultur: Melodien sind böse

Gottvater der Neuen Deutschen Welle: Stephan Remmler über seine Band Trio, Drei-Minuten-Gefühle und sein Solo-Album

Herr Remmler, sagen Sie es nochmal!

Was?

Na: „Ich lieb dich nicht, du liebst mich nicht …“

Aha.

Klingt immer noch cool. Warum sagen Sie so oft Aha?

Tja. Jay-Z, der Hip-Hopper, macht das noch viel öfter als ich. Wenn ich für jedes Aha Tantiemen kriegen würde, hätte mich Hip-Hop reich gemacht. Woher das kommt, weiß ich nicht. Das muss zum ersten Mal bei „Da Da Da“ aufgetaucht sein. Als Füllformel. So wie Lalala oder Doobedoobedoo oder „Weine nicht, wenn der Regen fällt – damdam“.

Das Aha macht Sie zu einem der lässigsten Popstars, die es in Deutschlandje gegeben hat. Erstaunt es Sie, dass die Debütplatte Ihrer Band Trio allgemeinals eine der drei besten deutschen Pop-Platten gilt?

Es klingt natürlich unbescheiden, zu sagen, es erstaunt mich nicht. Auch wenn es zunächst nicht danach aussah. Die Anfänge der Band waren ein sehr intensives Suchen und Finden. Wir hockten in unserer WG in Großenkneten die ganze Zeit aufeinander. Ansagen und Songtexte entsprangen unserem Alltag. Erst als wir unser Ding entwickelt hatten, war uns als Musikern nicht mehr danach zumute, unsere Meinungsverschiedenheiten beim Abwasch auszutragen.

Sie haben darüber gestritten, wer den Rasen mäht?

Ich glaube, das mit dem Garten haben wir nicht so ernst genommen. Kralle Krawinkel, der Trio-Gitarrist, und ich spielten sechs Jahre in einer Amateurband, die Just Us hieß. Wir wurden dann beide Lehrer.

Sie wollten wirklich unterrichten?

Das erlärt sich aus der Zeit. Ich fing 1968 zu studieren an: Soziologie, Psychologie, Musikwissenschaften, Völkerkunde, für was man sich damals eben so interessierte. Aus der Vielzahl an Wissensgebieten erkennen Sie, dass ich es nicht so ernst nahm. Ich wusste nur: In die Wirtschaft gehe ich nicht, wo ich mit Schlips jeden Morgen hätte antanzen müssen. Ich wollte auch nicht für das System arbeiten. Da war die Entscheidung für den Lehrerberuf eine für den Freiraum. Denn für Lehrer gab es keine Anzugsordnung. Ich durfte lange Haare und Jeans tragen. Im Kollegium war ich ein bunter Vogel. Bei mir durften die Schüler im Unterricht essen, Kaugummi kauen und mich duzen.

Hat Ihnen zusätzlich Ansehen verschafft, dass Sie nebenbei Musiker waren?

Mag sein. Eigentlich sollte ich auch Musik im Hauptfach unterrichten. Aber das ging so durcheinander, dass ich meist Deutsch und Erdkunde lehrte. In einer AG konnten die Kinder Gitarre lernen, da war ich natürlich hipper als ältere Kollegen.

Dann haben Sie alles hingeworfen?

Ja. Ich war schon verbeamteter Lehrer. Aber ich dachte, das Leben müsste noch etwas anderes bieten.

Aus der deutschen Poplandschaft stachen Sie, Kralle Krawinkel und PeterBehrens heraus. Wie erklären Sie sich den Trio-Erfolg?

Wir haben uns nicht auf Gefühle festgelegt, sondern sie distanziert vorgeführt. Ob es nun um „die große Liebe“, „die große Enttäuschung“ ging oder whatsoever. Wir haben die sarkastische Seite betont.

Fiel Ihnen das schwer?

Es war schwer, daraus musikalisch eine Methode zu machen. Aber vielleicht ist es letztlich einfacher, als große Gefühle wirklich zu zeigen. Wobei, im Drei-Minuten- Format des Entertainment misslingt es oft, Gefühle auf eine ehrliche Weise auszudrücken. Es geht ja nicht darum, dass ich jetzt dir mit der Gitarre etwas vorsinge, sondern um einen gigantischen Vermarktungsprozess, der alles herausfiltert, was nicht im Radio ankommt. Deshalb klingt es verlogen, wenn Popkünstler behaupten, ihre Emotionen seien echt. Um dem zu entgegen, um nicht heucheln zu müssen, wurden wir sarkastisch.

Lässt sich Sarkasmus als Lebensgefühl lange aufrechterhalten?

Hmmm.

Immer so zu tun, als hätte man mit dem Ganzen nichts zu tun.

So würde ich’s nicht sagen. Man zeigt vielmehr, wie Gefühle im medialen Prozess aufgeblasen und verrenkt werden. Wir begriffen erst allmählich, dass wir gar nicht anders konnten. Wir waren von Led Zeppelin und Eric Clapton begeistert. Die haben wir als Amateurband nachgemacht, so gut es ging. Aber die Kopie blieb immer eine Kopie. Und wir konnten ja nicht so tun, als lebten wir in L.A., hätten viel Geld und würden im Flugzeug zu Konzerten reisen. So war es ja nicht. Wir hatten diesen Keller in Großenkneten, das war’s. Wir hatten nicht mal eine Licht-Show. Da mussten wir eine Ehrlichkeit entwickeln, die dem entsprach, statt ständig durchblicken zu lassen, dass wir eigentlich größer sein wollten. Wir waren so, wie wir waren. Das hat funktioniert. Bloß, dazu muss man sich erst durchringen.

Sechs Jahre haben sie mit Just Us vergeblich am Durchbruch gearbeitet. WarTrio die Rache daran?

Nein. Just Us entsprach dem Geist der Beat-Zeit, als Bands keine eigenen Stücke schrieben, sondern sich dadurch identifizierten, wessen Songs sie nachspielten. Erst später merkten wir, dass wir selbst Lieder schreiben mussten, um jemand zu sein.

Wie reagieren Sie heute, wenn man Sie bittet, „Da Da Da“ zu singen?

Da habe ich keine Berührungsängste. Wenn man einmal einen Welthit geschrieben hat, der auch nach zwanzig Jahren in allen Köpfen herumgeistert, kann man stolz sein. Jetzt wirbt Pepsi mit dem Song. Christina Aguilera singt „Da Da Da“. Wir kriegen ständig Werbeanfragen. Das geht über Spagetti, Klimaanlagen bis zu Autos.

„Da Da Da“ ist Popmusik auf der Höhe ihrer Kunst: Drei Silben werden aneinandergereiht, ohne dass sie einen Sinn ergeben, nicht einmal eine Melodie ist nötig,und alle wissen, was Sie meinen.

Wenn einem das doch nur häufiger gelingen würde. Ich strebe oft Linien an, die mit wenig Veränderung über drei Minuten die Spannung halten. Das ist mein Stil. Ich ziehe keinen musikalischen Trick aus dem Hut, um gegen das abfallende Interesse anzugehen. Der Kopf sagt zwar: Das ist ja immer das Gleiche. Aber man freut sich auch, dass es immer das Gleiche ist.

Verarbeiten Sie mit „World Famous in Germany“ auf Ihrer neuen CD, was ausIhrer Karriere auch hätte werden können?

Obwohl ich nicht auf Gala-Veranstaltungen oder in Bierzelten auftrete, reihe ich mich da ein. Denn ich habe Respekt vor den Leuten, die das machen. Die Schlagersänger-Professionalität schreckt mich nicht. An die Musik sollten nicht besondere Wertmaßstäbe angelegt werden und sie sollte auch nicht als „Schlagerkacke“ verunglimpft wird, weil der politische Überbau fehlt. Die Leute sollen klatschen und sagen dürfen, das sei ein schöner Abend gewesen.

Sie führen das Leben eines Privatiers, der sich auf seine Insel zurückgezogenhat und mit der Lässigkeit desjenigen, der es sich leisten kann, hin und wiedereine Platte veröffentlicht. Wir groß ist Ihr Ehrgeiz?

Grundsätzlich gilt: Erfolg macht mehr Spaß als kein Erfolg. Andererseits habe ich schon genug Erfolge gehabt, um den Spaß zu genießen, den mir die Arbeit an der Platte bereitet hat. Ich komme damit zurecht, in die Radiolandschaft oder whatsoever nicht mehr hineinzupassen.

Wüssten Sie, was Sie ohne Musik mit sich anfangen sollten?

Nein, das weiß ich nicht. Ich habe keine Hobbies. In den letzten zehn Jahren habe ich mich erst in die Studiotechnik eingearbeitet. Dann habe ich das Album meiner drei Söhne Cecil, Jonni und Lauro produziert. Und immer wieder eigene Demo- Bänder aufgenommen. Daraus erwuchs schließlich die Motivation, trotz meines Vorsatzes, keine eigenen Platten mehr zu machen, es noch einmal anzupacken. Etwas anderes kann ich mir nicht vorstellen. Wenn die Kinder aus dem Haus und zur Schule gehen, verziehe ich mich ins Studio. Mein Ältester wird im Sommer zum Studium in die USA ziehen. Muss mal sehen, ob dann mein zweiter Sohn so weit ist, dass ich mit dem arbeiten kann.

Sie haben Ihren musikalischen Werdegang immer wieder torpediert mit Liedern,die Ihre Fans als Verrat empfanden …

So sind wir schon bei Trio vorgegangen, als wir zu Dieter Thomas Hecks „Hitparade“ gingen. Da haben uns viele für Verräter gehalten und den Ausverkauf einer Idee befürchtet. Auch haben wir den „Ententanz“ gespielt. Eine Frau mit Akkordeon begleitete uns. Mag sein, dass solche Einfälle für die Karriere nicht das Schlaueste waren. Ich kümmere mich auch jetzt um solche Mechanismen nicht, da noch sehr viel mehr als früher von Personen im Showbusiness verlangt wird, dass sie sich eindeutig verhalten. Ich unterschreite ein Niveau, von dem die Leute glauben, dass ich es sowieso nicht habe.

Das Gespräch führte Kai Müller

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