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Kultur: Melodienflug

Militärische Sommermusik in Brandenburg.

Von einem Overkill zu sprechen bei einem Ausflug im Rahmen der Brandenburgischen Sommerkonzerte wäre wohl falsch, schließlich sind diese Konzerte mit ihren Begleitveranstaltungen für gewöhnlich nicht zu übertreffen an Liebenswürdigkeit. Trotzdem gibt es an diesem Nachmittag rund um das Landgestüt in Neustadt an der Dosse, das in diesem Jahr seinen 225. Geburtstag feiert, wirklich viel zu erleben.

Erst einmal die geruhsame Stille auf dem Gestüt selbst, weite Wiesen, große Ställe, keine Pferde. Doch halt, da klappert ein Rappe um die Ecke, mit einem Mann in Uniform auf dem Rücken. Das ist gewiss einer der schmucken Fanfarenreiter, die vor Beginn des Benefizkonzerts mit dem Luftwaffenmusikkorps 4 Berlin auf dem Paradeplatz einziehen und vom Pferderücken aus Naturtrompete spielen werden, während eine Glocke von hinten sechs Uhr schlägt und ganz vorn im Zug ein Kaltblüter immer wieder ausschert, wahrscheinlich aus Unmut darüber, dass die zwei Trommeln auf seinem Rücken so verstimmt sind. Das zweite Spektakel ist jetzt erst einmal der Ausflug in die Filmtierschule Harsch in Sieversdorf, wo die entzückte Reisegruppe unter lauter Ahs und Ohs die Hirschkuh Schoko kennenlernt, ferner Gustav, den Storchen, Indra, die Leopardin und allerhand anderes Schildkröten-, Löwen- und Papageiengetier.

Zurück auf dem Gestüt glüht die Sonne über dem frisch geschorenen Paradeplatz-Rasen. Das Musikkorps in Uniform, das für gewöhnlich militärische Zeremonien ausgestaltet, hat man auf einer eigenen Tribüne platziert, die Musiker in den letzten Reihen tragen Sonnenbrillen. Und nun beginnt endlich das Benefizkonzert zugunsten der Brandenburgischen Sommerkonzerte selbst, und zwar unter dem Titel „Melodien fliegen um die Welt“. Es wird eine Darbietung an der Schnittstelle von Zapfenstreich, Schützenfest und klassischem Konzert, mit ein bisschen Militärhistorie („Fehrbelliner Reitermarsch“), Hollywood-Hintergrund (Filmmelodien von Henry Mancini) oder österreich-ungarischer Herrlichkeit (Suppés Ouvertüre „Leichte Kavallerie“). Das Publikum hört ernsthaft zu, klatscht jedoch auch manchmal mit. Oberstleutnant Christian Blüggel am Pult, promovierter Musikwissenschaftler, dirigiert in einer Mixtur aus Konzert-Seriosität und Big-Band-Entspanntheit. Dann sinkt die Sonne, die Ohren klingeln, noch drei Zugaben, die Pferde sind im Stall, der Bus fährt pünktlich ab. Christiane Tewinkel

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