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Kultur: Mer losse d’r Dom en Kölle

Kai Müller über die rheinische Stadtflucht

Am Mittwoch, wenn die Asche vom Himmel fällt, der Ehepartner endlich nach Hause kommt und Anrufe von außerhalb wieder durchgestellt werden, begreifen auch sie, die Kölner: Köln ist eine Stadt am Rhein mit einer ziemlich großen Kirche. Alles, was es da sonst eben noch gab, ist weg. Es herrsche „Aufbruchsstimmung“, witzelt die „Süddeutsche Zeitung“ denn auch angesichts der neuesten Hiobsbotschaft: Die „Spex“, das Kaderblatt der deutschen Poptheoretiker, zieht es ebenfalls fort – wie meistens bei solchen Fällen in die Hauptstadt.

„Berlinzwang“ hat der ehemalige „Spex“-Herausgeber Diedrich Diederichsen dieses Phänomen genannt. Für die zwei Dutzend „Spex“-Mitarbeiter macht es aber nun auch wirklich keinen Sinn mehr, in einer Stadt auszuharren, die erst Stockhausens „Studio für Elektronische Musik“ und dann der Popkomm, MTV und VIVA verlustig ging und dessen Fußball-Traditionsclub bald auch wieder zweitklassig ist. Komisch, dass ausgerechnet die Avantgarde-Denker der Poplinken als Letztes drauf kommen.

Sie werden sich an der Spree wie zu Hause fühlen. Karneval wird hier praktisch das ganze Jahr über gefeiert. Obwohl es für einen Jecken gewöhnungsbedürftig sein dürfte, dass d’r Zoch von Samba-tanzenden Taxifahrern in Badelatschen gebildet wird. Die werfen nicht irgendwelchen Süßkram ins Publikum, sondern Kultur. Kultur ist in Berlin alles, was laut ist. Das mag weniger klebrig sein als Kamelle, aber einen fiesen Nachgeschmack hinterlässt es auch.

Wetten, dass es in Berlin bereits Pläne gibt, wie der Kölner Dom zum Umzug bewogen werden kann. Ein Plätzchen mit Wasserblick findet sich, wo doch justameng am Schlossplatz eins frei wird.Wegen der Traufhöhe muss der Dom auch nicht befürchten, von modernen Hochhaus-Konkurrenten um seinen Titel als „Weltkulturerbe“ gebracht zu werden. So hoch wie der Dom zu bauen, dafür ist Berlin genau der richtige Partner – wenn es 640 Jahre dauern soll.

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