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Kultur: Militär-Airbus: Mayday, Mayday

Niemand will es gewesen sein. "Das Finanzministerium ist nicht der Hauptakteur in diesem Verfahren", sagt dessen Sprecher.

Niemand will es gewesen sein. "Das Finanzministerium ist nicht der Hauptakteur in diesem Verfahren", sagt dessen Sprecher. "Die Arbeiten, die das Verteidigungsministerium hat leisten müssen, sind durchgeführt worden", teilt Rudolf Scharpings Haus mit. Um Scharping geht es. Kurz vor Weihnachten hat der Gebeutelte die Bestellung von 73 neuen Transportflugzeugen vom Typ A 400 M unterschrieben. Weil diese 8,6 Milliarden Euro kosten, der Haushaltsausschuss aber erst 5,1 Milliarden Euro bewilligt hat, musste Scharping unter einem Vorbehalt unterschreiben: dem, dass das Parlament die Finanzierung sichert.

Dann saß Scharping in der Klemme. Briten und Franzosen pochten auf das vereinbarte Datum 31. Januar, bis zu dem die Finanzierung stehen muss und die Bestellung damit rechtsverbindlich wird. Denn immerhin sind acht Nationen am A 400 M beteiligt; insgesamt sollen 196 Stück bestellt werden, nur dann stimmt die Preiskalkulation.

"Keine Arbeitsgrundlage"

Scharpings und Schröders Koalitionspartner, die Grünen, sahen in den vergangenen Tagen nur noch die Notwendigkeit für 40 statt 73 Transporter und fielen Scharping so in den Rücken. Aus der Umgebung von Finanzminister Eichel heißt es, die Vorlagen des Kollegen Scharping seien "keine Arbeitsgrundlage" und "sehr unvollständig" gewesen. Deshalb habe man nicht, wie geplant, bis zum Jahreswechsel gegenzeichnen können. Die Opposition tobt: unseriöse Finanzierungsvorschläge, mangelnder politischer Wille, Blamage vor den Verbündeten. "Das Verfahren ist unter aller Sau", poltert Christian Schmidt, der Verteidigungspolitiker der CSU-Landesgruppe. Eine weitere Dimension bekommt der Streit, weil die allerhöchste Ebene nicht nur Rückendeckung für Scharping zugesichert hatte, sondern auch die Finanzierung durchboxen wollte. Kanzler Schröder und Kanzleramtsminister Steinmeier hatten sich mit den Fraktionschefs Struck und Schlauch hierauf verständigt.

Scharping und Struck müssen nun ausbaden, was ein Insider so beschreibt: "Die anderen haben erst Schmiere gestanden und sich dann aus dem Staub gemacht." Nun geht es zuallererst um das Procedere, mit dem die Finanzierung gesichert werden könnte. Die Haushälter aller Fraktionen pochen auf ein geordnetes Verfahren in ihrem Ausschuss. Oswald Metzger, Etat-Wächter der Grünen, befürchtet indes, dass es dafür zu spät ist. Die Opposition sähe gern einen Nachtragshaushalt, also das offene Eingeständnis der Bundesregierung, dass die ursprüngliche Finanzplanung auf tönernen Füßen stand.

Die Regierung will einen Entschließungsantrag des Bundestages. Der Vorstand der SPD-Fraktion votierte für dieses Vorgehen, wie der SPD-Abgeordnete Reinhold Robbe am Dienstag sagte. Robbe forderte zugleich die Union auf, "die Kuh vom Eis" zu bringen und zuzustimmen. Die Schuld für die anhaltenden Streitigkeiten mit den rot-grünen Haushaltspolitikern gab Robbe dem Bundesrechnungshof, der 40 Maschinen für ausreichend hält, was wiederum im Finanzministerium gern gesehen wurde.

Ein Entschließungsantrag ist ein Mittel von fragwürdiger Verlässlichkeit. Die Bundestagsverwaltung höchstselbst klassifiziert einen solchen Antrag als "ohne jede rechtliche Bindungswirkung", als eine "rein politische Absichtserklärung". Briten und Franzosen müssten sich dann auf das Wort des Parlaments verlassen, so wie sie bislang das Wort des Kanzlers hatten. Letzteres war indes offensichtlich nicht genug.

So war Rot-Grün bemüht, das Maximal mögliche an Planungssicherheit in die Formulierung des Entschließungsantrages hineinzuschreiben. Am Dienstag wurde freilich klar, dass die vorliegende Fassung künftigen Abgeordneten zu viel Freiheit nahm. Der Antrag wurde wieder entschärft, um dem Vorwurf zu entgehen, die Schröder-Regierung beschneide die Souveränität der im Herbst neu gewählten Parlamentarier.

Das Mehr an verfassungsrechtlicher Unbedenklichkeit brachte aber ein Weniger an Festschreibung mit sich. Scharping führte deshalb den Begriff "Diskontinuität" in den Streit ein: Diskontinuität wäre, wenn die Bundesregierung heute Transportmaschinen bestellt und künftige Regierungen feststellen, dass sie unerwünscht oder unfinanzierbar sind.

"Die Union ist in der Sache für das Projekt. Die politische Diskontinuität geht gegen null", meinte Scharping am Dienstag. Und die finanzielle Diskontinuität? Auch die mag Rot-Grün nicht sehen. Im Spitzengespräch mit Kanzler Schröder, Außenminister Fischer, Finanzminister Eichel und SPD-Fraktionschef Struck erreichte Scharping am Dienstagnachmittag, dass die nötigen Milliarden im Etat 2003 bereitgestellt werden. Der entsprechende Haushaltsplan wird im Juni 2002 aufgestellt - vor der Wahl, von dieser Regierung.

Zu viele Unwägbarkeiten

Eben diese Festlegung für den Etat 2003 soll nun per Entschließungsantrag das Parlament passieren. Scharping betonte am Dienstag, er rechne fest mit der baldigen Zustimmung des Bundestags zum Kauf aller 73 Maschinen. Die Frage, ob dies alles den Briten und Franzosen denn nun reichen werde, bezeichnete Scharping als eine von zu vielen Unwägbarkeiten durchsetzte Frage.

Sein Haus war da offener. "Es gibt Signale, dass es reicht", hieß es im Verteidigungsministerium. Vorgebaut hatte Scharping vergangene Woche bei einem Treffen mit seinen Amtskollegen aus Paris und London. So sah es am Ende eines hektischen Tages aus, als schlittere die Bundesregierung mit Ach und Krach an einer Riesenblamage vorbei. Dass dies der Opposition nicht gefällt, ist offenkundig. Heute, bei der Aktuellen Stunde des Bundestages, wird öffentlich gestritten, ob dies der richtige Umgang mit Transportflugzeugen, Alliierten, Parlamentariern und Finanzen ist.

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