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Projektraum in der Schleiermacherstraße 31 in Kreuzberg.

© Marike Schuurman

„Project Space Festival“ in Berlin: Mit den Augen schmausen

Öder Underground? Von wegen! 30 freie Kunsträume laden zum „Project Space Festival“ in Berlin.

Ist das Kunst oder schon Wurst? Auf großen Platten werden kleine Häppchen hereingetragen, zart abgeschmeckte Bratwurst mit Pistazienstreuseln und Chili-Grünkohl. Der Däne Søren Aagaard ist nicht nur Künstler, sondern auch Koch. Das feine Mahl, das er den Besuchern des Projektraums „Kinderhook & Caracas“ kredenzt, ist Teil seiner Installation über Essen als gesellschaftliche Distinktion. Wie lecker! Und wie clever. So lockt man die Leute an, mit guten Küchengerüchen. Und darum geht es bei Berlins erstem „Project Space Festival“.

Jeden Tag im August lädt ein anderer Projektraum ein, zeigt Kunst, Performances, es gibt Konzerte und eben auch Essen. Kommen sollen nicht nur die, die schon behände in diesem Netz von nichtinstitutionellen Plattformen klettern, sondern auch jene, die bisher vielleicht gar nicht wussten, dass es neben Galerien und Museen noch eine dritte Form von Orten gibt, in denen man Kunst erleben kann. „Project Spaces“ werden von Künstlern und freien Kuratoren in Ladenlokalen betrieben, die sonst hoffnungslos leer stehen würden. 150 dieser Orte zählt das „Netzwerk freier Berliner Projekträume und -initiativen“. Das ist weltweit einzigartig. Und kommt schon fast an die Zahl Berliner Museen heran, davon gibt es 170 in der Stadt.

Die erste Woche des Festivals ist nun vorüber. „Wir sind sehr zufrieden“, sagt Marie Graftieaux, eine der Organisatorinnen. „Wir bemerken schon, dass ein anderes Publikum kommt.“ Gut, schaut man sich bei „Kinderhook & Caracas“ um, stehen da vornehmlich die bekannten jungen kreativen Szenegänger im warmen Abendlicht. Aber eben nicht nur. Das reicht fürs Erste. Den Festival-Macherinnen kann man nur gratulieren. Zur Idee und zu ihrem Auftritt. Das geht mit der überzeugenden Wahl der 30 Adressen los, von Autocenter, über Grimmuseum bis Sox und endet mit dem Layout der Flyer. Ein professionelles Marketing gab es auch. Endlich werden die Projekträume mal aus der Underground-Ecke herausgestaubt! Dieses Image entspricht längst nicht mehr der Realität. Die meisten Räume stemmen ein No-Budget-Programm – ums Verkaufen geht es nicht –, aber bieten oft institutionelles Niveau.

Visionen realisieren

Christopher Kline und Sol Calero von „Kinderhook & Caracas“ planen, das Tonarchiv des Musikwissenschaftlers Oswaldo Lares, eine umfangreiche Sammlung venezolanischer Volkslieder, in ihren kleinen Räumen in der Kreuzbergstraße zu präsentieren. So was kriegt man sonst im Haus der Kulturen der Welt oder im Ethnologischen Museum geboten. „Wir wollen helfen, Visionen zu realisieren“, sagt Kline. Das klingt blumig, ist aber genau das, was Berlin braucht, gerade in Zeiten steigender Mieten, wo Projekträume um ihre Existenz bangen müssen.

Die Kulturpolitik hat das zum Glück erkannt. Bereits zum dritten Mal vergibt der Senat einen mit jeweils 30 000 Euro dotierten Förderpreis an sieben freie Initiativen. Ende August ist Preisverleihung. Zudem haben die Tourismuswerber von „Visit Berlin“ das Festival finanziell unterstützt. Auch das ist ein Zeichen. Wenn Berlin als Kunstmetropole ungebrochen international Anziehungskraft ausübt, dann liegt das ganz wesentlich an diesen alternativen, oft versteckten und unscheinbaren Orten. Auf zu einem neuen, heute Abend, morgen.

www.projectspacefestival-berlin.com

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