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Kultur: Mit eigenem Kopf

sieht in Berlin von Angesicht zu Angesicht Das Genre Porträt macht wieder von sich Reden. Gerade nach der Jahrtausendwende zieht es im Sinne von Walter Benjamin wie eine „Mode als ewige Wiederkehr des Neuen“ die Künstler wieder in seinen Bann.

sieht in Berlin von Angesicht zu Angesicht Das Genre Porträt macht wieder von sich Reden. Gerade nach der Jahrtausendwende zieht es im Sinne von Walter Benjamin wie eine „Mode als ewige Wiederkehr des Neuen“ die Künstler wieder in seinen Bann. Und so schickt die Berliner Galerie Eigen + Art gleich ihre gesammelte Künstlerschar mit diesem Thema ins neue Jahr. Was Wunder – die Leipziger Schule war mit der Darstellung des Menschenbildes seit jeher eng verbunden. Das wiedererwachte Interesse für Malerei in allen Facetten kommt begünstigend dazu. Wobei die Ergebnisse wohl unterschiedlicher nicht sein könnten: Tim Eitel tuscht sich bescheiden nur 20 Zentimeter klein im Quadrat. Neo Rauch malt sich als Elvis. Jörg Herold schürft auch beim Porträt wie gehabt tief nach Geschichte. Während die Bildhauerin Birgit Brenner ganz persönliche Erinnerungen an das Hotelzimmer 301 rhetorisch brillant auf die Spitze treibt. Christine Hill zieht um und zeichnet zur Erinnerung einen Wohnungsplan. Der zurzeit in der Frankfurter Schirn gefeierte Carsten Nicolai sucht das Selbst im Abstrakten. Er lässt sein Gesicht filmen, nimmt anschließend die Filmdiskette auseinander und spannt die Magnetbänder auf einen Polyesterrahmen. Der Erfolgsmaler Martin Eder romantisiert einen Clown beim Gebet. Das Ergebnis ist sehr bunt – aber seltsam farblos.

Doch dann kommen doch noch die großen Gefühle: Als Nina Fischer und Maroan el Sani ihre Kamera in die Hand nahmen, um Filmporträts ihrer Künstlerkollegen zu machen, äußerten sie dazu einfach eine Anweisung: „Bitte in die Kamera sehen und dabei 10 Sekunden an die Zukunft denken.“ Kein Lächeln und kein Laut kommt den Protagonisten im Film über die Lippen. Jeder schaut, alles schweigt. Nur die Zukunft blickt groß und ernst  aus den Gesichtern. Jedes einzelne der Zehn-Sekunden-Porträts wird als eine rasselnd altmodische 16-mm-Filmbandschleife hart gegen die Galeriewand projiziert. Es sind im besten Sinne des Wortes Zeitdokumente. Zehn Sekunden können die Welt nicht erschüttern. Aber so von Angesicht zu Angesicht ist das ein überraschend langer Moment (Galerie Eigen + Art, Auguststraße 26, bis 26. Februar, Preise zwischen 4000 und 55000 Euro).

* * *

Künstler haben grundsätzlich ihren eigenen Kopf. Der Maler historischer Großflächencomics Moritz Götze macht da keine Ausnahme. Er malt, siebdruckt, collagiert oder installiert sein Alter Ego mit immer neuen Kostümierungen und Maskeraden. Und da kam in zwei Jahrzehnten einiges zusammen: Drachentöter und Ritter, Seeräuber und Bruchpilot, Schaltpultwächter, Träumer und der Hüter stabiler Werte. In seiner Berliner Ausstellung in der Galerie Schuster/Scheuermann sehen wir den 1964 in Halle geborenen Maler auf „Goldenen Straßen“ wandeln. Sein ewig junges Konterfei hat er schon längst zum unverwechselbaren Markenzeichen für ostdeutschen Pop gemacht. Diesmal findet es sich als Bierbüchsenbild der Marke „Aura“. Daneben die Zigarettenschachtel der Sorte „Morgen“. Und das dazugehörende Streichholz ist bei ihm wie immer nur halb abgebrannt – und zur Hälfte noch erhalten. (Schuster/Scheuermann, Gartenstraße 7, bis 3. März, Preise zwischen 400 und 12500 Euro).

Thea Herold

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