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Kultur: Mit Schwung ins Nichts

Palast der Republik, zum Letzten: die Gruppenausstellung „Fraktale IV“

Es ist wie mit der Geschichte vom Hütejungen und dem Wolf: Angekündigt wird, über Monate hinweg, die letzte, die nochmals letzte, die nunmehr allerletzte Aktion im Palast der Republik. Im August war es die „Berg“-Installation, am Sonntag die „Parsifal“-Übertragung aus der Staatsoper, und heute eröffnet die Künstler-Gruppenausstellung „Fraktale IV“. Es scheint, als könne sich die Kunstszene nicht trennen von dem Bau, der doch so eindeutig und unwiderruflich zum Abriss angezählt ist. Und das, obwohl die Politik alles tut, um weiteres Treiben zu unterbinden: Sie hätten schon feste Förderzusagen gehabt, beklagt Jonas Burgert, einer der Kuratoren. Doch als bekannt wurde, dass die Ausstellung im Palast der Republik stattfinden soll, seien alle Zusagen wieder zurückgezogen worden. „Es gibt offenbar ein Gebäude in Deutschland, in dem keine Kultur gefördert werden darf“, so Burgert. Die Kosten müssen nun über Sponsoren, Veranstaltungen und Eintrittsgelder eingespielt werden.

Das dürfte kein Problem sein: Über mangelnden Andrang konnte sich bislang keine der Veranstaltungen im Palast beklagen. Zumal jetzt bis zum Volkskammersaal der ganze Palast zugänglich ist und sich, einmal mehr, als überaus spannungsreicher Ausstellungsort erweist. Es ist, als seien Jonas Burgert und Ingolf Keiner den Beweis angetreten, dass der Palast mit wenig Aufwand (400000 Euro gegen 20 Millionen Euro Abrisskosten) in einen seriösen Ausstellungsort verwandelt werden kann. Rigipswände schaffen einen klassischen „White Cube“ mitten im Haus, eine helle, weite Halle, die die Ausstellungsmacher, um sie umso eindrucksvoller zur Geltung zu bringen, bewusst mit stillen, kleinen Kunstwerken füllen. Hier könnte man sich alles, von den Völkerkunde-Sammlungen der Staatlichen Museen bis zu Gegenwartskunst, vorstellen. Dieser „White Cube“, so Burgert, sei eigentlich die lange geforderte Kunsthalle Berlins.

Doch weil nicht wird, was nicht sein darf, ist das Thema gut gewählt: Tod. Angst vor großen Themen haben Burgert und Keiner, die in unregelmäßigen Abständen unter dem Label „Fraktale“ Gruppenausstellungen organisieren, nie gehabt: Sie haben Themen wie Evolution, Natur oder Transzendenz gewählt. Und als Ausstellungsort jeweils auf einen Raum im Übergang gesetzt: auf die nach dem Krieg behelfsmäßig wiederhergestellte Parochialkirche, die Kellergewölbe unterm Pfefferberg und zuletzt, viel beachtet, den Rohbau des U-Bahnhofs vor dem Reichstag.

Nun also der sterbende Tanker des Palasts der Republik. Das durch blind gewordene Scheiben einfallende Dämmerlicht, die rostige Eisen-StahlKonstruktion, der feuchte Beton, das durch die Decke tropfende Wasser haben die 25 beteiligten Künstler spürbar inspiriert. Nicht immer ist das Ergebnis der Aura des Ortes gewachsen, doch der Dialog funktioniert. Seien es das verhüllte Modell einer V-1-Rakete, das Oliver van den Berg in die ehemalige Machtzentrale stellt, oder ein Berg von Rettungsringen (Birgit Dieker), seien es der zwischen Gipsbergen schwingende Kronleuchter von Stephan Huber, das „Survival Büro“ von Tobias Regensburger, das Künstlerpaar Twin Gabriel, das sich mit seiner Familie als Tote inszeniert, oder das halb skelettierte Mammut von John Isaacs: Die Strategien im Umgang mit dem Tod fördern an diesem Ort einen ganz besonderen Nachhall zutage.

Selten ist das so kühn wie bei Benjamin Bergmann, der für „Und eines Tages will ich es wissen...“ eine grandiose Rampe in den Raum baut, die den Benutzer mit Schwung in den freien Raum katapultieren würde. Selten zum Glück auch so plakativ wie bei Ingolf Keiner selbst, der zum Thema Tod Engel mit Flügeln assoziiert. Tod und Leben, Zukunft und Utopie fasst Harald Fuchs schließlich in der Installation „Libreville“ zusammen und wünscht sich eine Freistatt für die Kunst.

Doch für den Palast gibt es nur Vergangenheit. In dieser Woche gab der Senat bekannt, dass mit dem Abriss im Dezember begonnen wird.

Fraktale IV: tod. Palast der Republik, bis 22. Oktober, Eröffnung heute Abend, 19 Uhr. Infos: www.fraktale-berlin.de

Christina Tilmann

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