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Kultur: Mitspielen

Gefährlich wie ein Damoklesschwert schwebt das Objekt an dünnen Fäden über der Tür zur Emerson Gallery (bis 28. April, Gartenstraße 1).

Gefährlich wie ein Damoklesschwert schwebt das Objekt an dünnen Fäden über der Tür zur Emerson Gallery (bis 28. April, Gartenstraße 1). Man liest, wenn man den Kopf in den Nacken legt, in strahlender Schrift: „Kunst muss kosten.“ In Versalien. Groß. Glamourös. Denn die Worte sind aus tausenden kleinen Swarovski-Diamanten in einen Bogen aus blitzblank verchromter Bronze gelegt. Aber alles ist so geformt, dass es an die Inschrift „Jedem das Seine“ am Ausgangstor in Buchenwald erinnert. Nur ist das Riesen-Diadem beileibe kein Denkmal. Sondern ein raffinierter Spielzug des Berliner Künstlers Victor Kégli . Motto: Seht hin, seht zweimal hin, aber verstolpert euch nicht.

Das doppelbödige Spiel der Symbole hat bei Kégli Methode. In seinen Aktionen ist es ebenso präsent wie in den Installationen. Und mehr noch, der Künstler vertraut aufs Mitmachen. Von seinen Editionen (zum Selberausmalen, ab 400 Euro) bis zur Zentralfigur der Ausstellung, dem Goldenen Reiter (55 000 Euro): ein Pferdchen in Gold. Es lässt sich besteigen, wackelt und bewegt sich, wenn man mit passender Münze bezahlt. Dazu gibt’s originale Jahrmarktmusik, Soundart vom Leierkasten. Pferdchen sucht Kundschaft – und wer auf ihm reitet, ist der Held. Doch löst das Pferd dieses Versprechen ein? Schon der zusammengenagelte Sockel, auf dem das Reiterstandbild seine Ersatzpracht entfaltet, ist Antwort genug. Und an den Wänden dahinter spiegelt sich das Ganze. In Kästen im üblichen Werbemaß, meterhoch. Und was lesen wir da: „Du solltest so sein wie ich.“ Es gibt Kunstwerke, die die Gedanken in schönste Unordnung bringen.

Für die acht Arbeiten von Veronika Veit bei upstairs berlin (bis 20. Mai, Zimmerstraße 90/91) werden mitlesende Betrachter gesucht. Alle geschriebenen Worte darüber sagen zu wenig. Außerdem spielen ihre Installationen und Video-Intarsien (5 000 bis 12 000 Euro) virtuos mit literarischen Querverweisen. Sie erzählen selbst halbe Romane. Eben erst hatten sich Arbeiten der Münchner Künstlerin in Dänemark ihr Publikum erobert, nun machen die Miniatur-Figuren Station in Berlin. Die Arrangments sind voller Anspielungen, Reizworte, Allegorien, Metaphern und Wortspiele. Ein Selbstabholer tritt auf, gekrümmt wie eine Gogol-Figur. Ein unsicheres Matratzenversteck, so wie es eine Anne F. hatte. Es gibt ein weißes, knuffiges Flugzeug, das an Moby Dick erinnert. Und Türen, die ins Nichts führen. Starre Bubbles verwandeln einen Whirlpool in ein gefährliches Loch, Rolltreppen („One Way Loop“) machen den Weg nach oben zur Illusion. Und dann ist da noch diese Rimini-Sonnenliege, die eine Lolita-Geschichte mit unglücklichem Ende erzählt. So funktioniert Veits „Wake-Up Call“, ihr Ausstellungstitel und gleichzeitiges Überthema: ungeliebt und dennoch erfrischend, wie ein Schwall Kaltwasser am Morgen.

Thea Herold

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