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Kultur: Mittsommer auf Hiddensee

Von Edgar Allan Poe stammt der wunderbare Satz: „Nur auf einer Insel zeigt sich, wozu Menschen wirklich imstande sind.“ Wenn das wahr ist, dann wären alle Briten irre oder genial oder beides.

Von Edgar Allan Poe stammt der wunderbare Satz: „Nur auf einer Insel zeigt sich, wozu Menschen wirklich imstande sind.“ Wenn das wahr ist, dann wären alle Briten irre oder genial oder beides. Und dass die Kreter lügen, bis sich auf Zypern die Balken biegen, wusste man schon in der Antike. Rein literarisch ist dem Raben-Vater Poe also ohne Weiteres zuzustimmen. „Robinson Crusoe“, „Sindbad der Seefahrer“, „Die Schatzinsel“, „King Kong“: Ja, dazu sind Menschen imstande, wenn sie sich vom Festland entfernen. Gibt es überhaupt wirklich gute Geschichten, die nicht auf einer Insel spielen und auch nicht auf hoher See? Die sich messen können mit „Moby Dick“, mit Gedichten von Ringelnatz und dem Stapellauf der Titanic geradewegs auf den Eisberg zu?

So einfach ist es, einen Theaterspielplan zu erfinden, wenn das Theater auf einer Insel steht. Am besten gleich am Hafen, hinterm Deich. Wenn möglich, dann hat das Theater auch Mast und Rettungsring. Richtig: Die Rede ist von der Seebühne Hiddensee, im Inselhauptdorf Vitte. Ostseefreaks haben sie gleich erkannt. Vor bald zehn Jahren wurde sie gegründet, all die großen Seestücke (siehe oben) hat sie schon gewagt. Diesen Sommer gibt es den „Froschkönig in der Karibik“, das „Meerwunder“ nach Gerhart Hauptmann, der auf Hiddensee ein herrliches Haus besaß (heute Museum) und, nanu?, einen „Faust“.

Seebühnen-Meister Karl Huck spielt alle Rollen und alle Puppen, die Vorstellung dauert wie immer eine Stunde, und am Ende sind die Zuschauer in der kleinen Butze, die an den Frachtraum eines alten Seglers erinnert oder eine Studentenkneipe, glücklich und zufrieden. Einen so schnellen und übersichtlichen „Faust“ in Goethes Namen hat es nicht mehr gegeben seit der Zeit, als der kleine Johann Wolfgang die Geschichte vom Teufel und dem Gelehrten in Frankfurt als Puppenspiel sah. Das war die Idee von Regisseur Holger Teschke, der sich hier auskennt, er hat kürzlich eine „Gebrauchsanweisung für Rügen und Hiddensee“ veröffentlicht.

Hier wird der „Faust“ aufs Wesentliche eingedampft, auch wenn’ s geschummelt ist. Wo wäre in dem Stück das Maritime, Insulare? Am Ende vielleicht, bei Philemon und Baucis, bei der Landgewinnung aus dem Meer, „Faust II“. Aber da ist das Inseltheaterchen schon lange aus und ein voller Mond aufgegangen über dem Strand. Das Meer eine Palette in Blau und Grau, der Leuchtturm an der Nordspitze blitzt und blinkt. Dabei ist der Abend hell wie der Tag,halb elf auf Hiddensee. Vergessen die Anfahrt mit Zug, Bus, Schiff und Kutsche, acht Stunden von Berlin (mit Bahnverspätung, Fähre weg). In der Zeit hätte man es locker nach Griechenland oder Sizilien geschafft. Aber das hat hier was. Hiddensee liegt vor der Haustür und gleicht einer Weltreise. Ist es nicht auch im Theater so, wenn das Theater gut und stark ist?

Eine

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