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Kultur: Mögen Sie getürkte Türken, Herr Zaimoglu?

Herr Zaimoglu, Sie haben 1995 mit ihrem gleichnamigen Buch den Begriff der „Kanak Sprak“ geprägt. Seitdem hat das Wort Kanake Karriere gemacht.

Herr Zaimoglu, Sie haben 1995 mit ihrem gleichnamigen Buch den Begriff der „Kanak Sprak“ geprägt. Seitdem hat das Wort Kanake Karriere gemacht. Die Comedy-Shows sind voll von echten und getürkten Türken. Wie finden Sie das?

Früher haben wir Türken, die sich als Edel-Italiener ausgaben, „Krokant-Kanaken“ genannt. Deshalb nenne ich diese Leute jetzt auch mal so. Aber ansonsten: bestens. Es ging mir nie darum, irgendein Copyright zu halten und dann darüber zu mosern, dass dieser Kanak-Geist Monster gebiert, die vielleicht nicht ganz so helle sind. Erkan und Stefan, Mundstuhl oder Kaya Yanar – die brauchten niemanden, der schlaue Bücher schreibt. Die waren schon von Haus aus motiviert. Und man sieht ihnen an, dass die sie schon eine längere künstlerische Strecke hinter sich gebracht haben.

Sie haben gerade den neuen Film „Erkan & Stefan gegen die Mächte der Finsternis“ gesehen. Wie hat er Ihnen gefallen?

Ich muss eine mehrdeutige Antwort geben. Der Film hat mich etwas enttäuscht, weil nicht viel mehr als eine Pubertätsklamotte dabei herauskommt. Vielleicht bringt der Weg zum Mainstream das zwangsläufig mit sich. Wenn schon von Türk-Kültür oder Jügendkültür die Rede ist, hätte ich mir gewünscht, dass es ein bisschen versauter zugeht. Das war mir zu stubenrein. Die beiden Protagonisten Erkan und Stefan, die es eigentlich besser wissen und können, haben sich sehr zurück genommen. Es ist ja nicht so, dass Proletenwitze die Leute abschrecken. Im Gegenteil. Ich denke da etwa an Ruhrpott-Komödien von Tom Gerhardt. Es gibt natürlich auch Szenen, die mir gefallen, wie zum Beispiel das Handy-Rennen am Anfang. So kenne ich diese Leute.

Ansonsten sind Ihnen Erkan & Stefan sympathisch?

Ich habe die beiden auf der Bühne erlebt. Ihre Live-Performance – das gilt auch für Mundstuhl – ist großartig. Ich weiß von sehr vielen, die nicht unbedingt die Anbindung zu den sozial Deklassierten haben und ziemlich darüber lachen können. Ich bin geschult an Heinz Erhardt und bin im besten Sinne des Wortes humorwillig.

Kennen Sie auch natürliche Personen, die so sprechen wie Erkan & Stefan?

Es gibt sie. Aber die sind viel weiter, als das, was uns mittlerweile als Kanak Sprak verkauft wird. Diese Leute bringen ihre Performance an alltäglichen Schauplätzen. Ich habe manchmal den Eindruck, die authentischen Vorbilder, also die echten Kanakster, egal welcher Herkunft, sind vielleicht geselliger und lustiger als die professionellen Komiker oder zum Beispiel ich selbst. Man kann eine Welle auch totreiten. Was ich dazu in der „Bild“-Zeitung las, war mir einfach zu zerebral-minimal. Ich habe in den letzten Jahren auch erlebt, wie dieser so reiche Jargon reduziert wurde auf eine typisch bundesrepublikanische Witzischkeit. Darüber kann man vielleicht hier lachen, aber andernorts ist man da weiter. Nach dem tausendsten Mal „Isch schwöre – Was kuckst du? – Bin isch Kino?“ ist der Trend auch mal vorbei. Es gibt die Tendenz, darin nur noch eine Art Pausenhof-Fratzenschneiderei zu sehen. Da lache ich lieber über Harald Schmidt.

Sind die „Mitteilungen vom Rande der Gesellschaft“ – so der Untertitel Ihres Buches „Kanak Sprak“ – nun in der gesellschaftlichen Mitte angekommen?

Ich habe mich vor langer Zeit von der Illusion verabschiedet, dass die Mitte der Gesellschaft für mich ein angenehmer Platz sein könnte. Wenn etwas mehrheitsfähig wird, dann wird meist die Substanz abgeschliffen. Das ist immer so. Der Massengeschmack duldet keine komplizierten Botschaften.

Die TV-Nation lacht über das Dönertier, aber Sie müssen im Osten immer noch mit Personenschutz auftreten.

Ich wundere mich nicht, dass ich im Osten besser aufpassen muss. Im Grunde hat sich da nichts geändert. Ich habe aber nie geglaubt, dass ich mit „Kanak Sprak“, das ja auch für eine politische Position stand – nämlich die Unterschiede zu betonen und nicht zuzukleistern – etwas ändern würde.

Hat die sogenannte Ethno- oder Kanak-Comedy, wie sie gelegentlich genannt wird, dem Türkenwitz der Nazis den Boden entzogen?

Ach nein. Der Antisemitismus braucht die Juden nicht. Und wenn, ist der Jude ein Vorwand, um vorhandene Klischees zu bestätigen. Dieses Gift herumlaufender Gerüchte, das rassistische Gerücht, das existiert einfach. Ich möchte da jetzt nicht pessimistisch klingen. Man muss versuchen, ein Gegengift bringen. Aber an der Haltung der Nazis wird das nichts ändern. Die lachen vielleicht auch mal darüber. Aber ihre Vorstellungen wird man auch mit dem frechsten Kanak-Jargon nicht aushebeln. Außerdem gibt es nun reaktionäre Stimmen: Es war an der Zeit, dass wir diese Tabus brechen. Man macht sich doch nicht gleich verdächtig, wenn man politisch unkorrekt daherwitzelt. Das führt schnell zu einem „Man wird doch wohl sagen dürfen...“ Wer anmerkt, er lasse sich den Mund nicht verbieten, bringt im nächsten Moment garantiert einen Rülpser.

Erübrigen sich Debatten über Ausländerfeindlichkeit, weil es jetzt Ethno-Comedy gibt?

Es gibt die einen, die lachen schadenfroh, wenn der Türke den Witzbold spielt. Und genau diese Leute finden es plötzlich gar nicht mehr komisch, wenn man Witze über deutschstämmige Deutsche macht. Quid pro quo geht nicht. Die können nur lachen, wenn es die anderen trifft. Die sagen dann: So kennen wir ihn, den Türken, wie er leibt und lebt. Aber diese Leute sind für mich kein Grund, diesen schwarzen Humor nicht zu mögen. Er ist ansteckend. Er kann Vorurteile über den Haufen witzeln. Er kann zu einem Klima führen, in dem das Publikum die alten Schlaumeierphrasen wie „Fremd in der Heimat“ vergisst. Ich habe nach 600 Lesungen in sieben Jahren das Gefühl: Weitermachen. Ich setze auf diese Art intelligenter Kränkung. Das bringt mehr als interkulturelle Verständigungsspiele.

In Frankreich oder England hat dieser Humor die Mainstream-Kultur bereits durchdrungen.

Die Mischpoke lässt sich nicht mehr vertreiben. Wir, die Mischpoke, sind hier. Damit meine ich nicht nur die fremdstämmig Deutschen. Und die Konfliktlinien lassen sich nicht wegkuscheln. Ich glaube nicht, dass es zu einer friedlichen Koexistenz kommen wird. Und ich finde das gar nicht mal so schlecht. Was soll die verlogene Harmonie? Das führt zu Friedhofsstille. Wir, die fremdstämmigen Deutschen, sind nicht mehr zu vertreiben. Ich glaube, dass wir ansteckend sind. Und wir haben einen Teil des Mainstreams mit diesem Humor angesteckt, mit all unseren Krankheiten. Das müssen die Leute aushalten.

Den ersten Film von Erkan und Stefan haben sich 1,2 Millionen Leute angesehen. Wie erklären sie den Boom der Kanak-Ethno-Comedy in den letzten Jahren?

Unterschicht-Klamotten gehen immer gut. Das gilt für Tom Gerhardt mit seinem Ballermann-Film. Oder die Ruhrpott-Komödie „Bang Boom Bang“. Impulse von ganz unten, wenn sie denn verarbeitet werden, kommen beim Publikum immer an. Da sagen die Leute: Mensch, da sehe ich mich selbst auf der Leinwand. Dann geht sogar Uwe Ochsenknecht als Schalke-Fan. Außerdem hat die Comedy-Welle im deutschen Fernsehen in den letzten Jahren richtig durchgezogen. Das meiste davon ist hirnrissiger Klamauk. Aber die Wegbereiter der Kanak-Comedy-Welle waren Fernseh-Shows.

Was, glauben Sie, würden Juden sagen, wenn es Comedy auf diesem Niveau über die jüdische Welt gäbe?

Darüber kann ich nicht spekulieren. Ich habe selbst die Erfahrung gemacht, dass jüdische Deutsche sehr humorvoll sind und sehr viel zur Zivilisation dieses Landes beigetragen haben. Jüdische Komiker sind für mich auch ein Vorbild. Ich wünschte, es gäbe mehr von solchen großartigen Menschen.

Was sollen Schwule von diesem Slang halten?

Die knallharte Version der Heterosexualität, diese männliche Unbeugsamkeit, ist in der orientalischen und türkisch-kurdischen Kultur zementiert. Daher weht zwar der Wind. Aber mittlerweile ist „schwul“ ein Allerweltswort geworden. Man sagt: Das ist scheiße, das ist minus, das ist schwul. Da schwingt natürlich auch eine ziemliche Homophobie mit. Aber mittlerweile ist der Gebrauch des Wortes „schwul“ vergleichbar vielleicht mit dem englischen Universalwort motherfucker, das manchmal sogar ein Kompliment sein kann.

Haben Kanakster durch die Comedy auch Selbstironie gelernt?

Schlecht wär’s nicht. Greko-Kanakster haben bei Kaya Yanar angerufen und waren beleidigt, weil er sie nicht durch den Kakao zog. Man fühlt sich ja auch geschmeichelt. Da sind alle entspannter geworden.

Das Gespräch führte Ralph Geisenhanslüke.

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