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Kultur: Münchner Theaterleben: Das Duell der Superlative

Der Zweikampf zwischen dem Staatsschauspiel und den Kammerspielen gehört zum Münchner Theaterleben wie der Genius zum Locus. Oder wie der David zum Goliath.

Der Zweikampf zwischen dem Staatsschauspiel und den Kammerspielen gehört zum Münchner Theaterleben wie der Genius zum Locus. Oder wie der David zum Goliath. Denn die letzten drei Jahrzehnte dominierten die kleineren (städtischen) Kammerspiele allemal die Bayerische Staatsbühne, welche man nach ihrem großen Haus meist Residenztheater nennt. Das Resi liegt tatsächlich nur einen Steinwurf von den Kammerspielen entfernt und hatte mit seinen letzten Intendanten (Meisel, Beelitz, Witt) nur immer halbwegs Glück. Ganzwegs gehörte man zur besseren Mittelklasse und machte, gut besucht und gut betucht, wenig Aufsehen. Einmal allerdings sorgte ein Resi-Chef für Rabatz: Als Herbert Achternbusch seinen komischen, grausigen (Au)"Gust" mit einem anarchisch fantastischen Sepp Bierbichler inszenierte, hat das die CSU so erschreckt, dass der Theaterdirektor sein Amt bald wieder los war. Er hieß Frank Baumbauer.

Im selben Sommer 1983, als der junge F.B. im Resi begann, wurde in den Kammerspielen der bisherige Oberspielleiter Dieter Dorn, zuvor Regisseur am Berliner Schillertheater, zum Intendanten gewählt. In seinen fast zwanzig Amtsjahren waren die Kammerspiele dann oft das beste und auf jeden Fall das bestbesuchte Stadttheater. Jetzt wechselt Dorn, mit dem einst Berlins Kultursenator Radunski über die Langhoff-Nachfolge am Deutschen Theater wie die Jungfrau übers Kinderkriegen verhandelt hatte, ans Residenztheater: weil Münchens Ex-Kulturdezernent Nida-Rümelin die Dorn-Ära nicht zur Ewigkeit werden lassen wollte und Baumbauer, der zuletzt in Hamburg Deutschlands erfolgreichster Theaterdirektor war, an die Kammerspiele holte. Also wird das Duell B. - D. zur spannendsten Premiere der kommenden Saison.

Am 11. Oktober startet Dorn im Residenztheater mit Shakespeares "Kaufmann von Venedig" und einer Hommage an seine beiden bedeutendsten Schauspieler. Der 81-jährige Rolf Boysen gibt den Shylock und Thomas Holtzmann mit 74 die Titelfigur. Ein Hauch von sehr großem Bellheim. Dagegen hält Baumbauer noch geheim, wer bei seiner Eröffnung spielt. Sicher ist nur: Achternbusch inszeniert am 24. 10. die Uraufführung seiner "Daphne von Andechs", und was so griechisch-bierbergig klingt, sei "eine kleine böse Hommage an München". Baumbauer wird freilich erst im März 2003 in das immer länger und teurer renovierte Jugendstilhaus der Kammerspiele wieder einziehen. Bis dahin sind größere Stücke nur in einer Ausweichhalle möglich. - An die gloriosen Dorn-Jahre erinnert jetzt ein opulenter Bild-Text-Band, dem wir Oda Sternbergs Foto einer legendären Dorn-Shakespeare-Inszenierung entnehmen: "Troilus und Cressida", mit Peter Lühr und Sunnyi Melles (Die Münchner Kammerspiele, Hanser Verlag, München 2001, 607 Seiten, 68 Mark).

P.v.B.

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