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Kultur: Musik in Berlin: Dmitri im Kreml

Neues Spiel, neues Glück: Seit 32 Jahren finden sich alljährlich 100 junge Musiker im Jeunesses Musicales Weltorchester zusammen, seit 1987 proben sie jeden Winter in Berlin. Und jedes Mal füllen neugierige Klassikfans beim Abschlusskonzert der Arbeitsphase die Philharmonie bis auf den letzten Platz.

Neues Spiel, neues Glück: Seit 32 Jahren finden sich alljährlich 100 junge Musiker im Jeunesses Musicales Weltorchester zusammen, seit 1987 proben sie jeden Winter in Berlin. Und jedes Mal füllen neugierige Klassikfans beim Abschlusskonzert der Arbeitsphase die Philharmonie bis auf den letzten Platz. Sie wollen das kleine Wunder erleben, dass die Nachwuchsinstrumentalisten in wenigen Probentagen zu einem echten Klangkörper zusammengewachsen sind.

Zunächst bleiben die Musiker und ihr Dirigent Alexander Vedernikov, der künftige Musikchef des Moskauer Bolschoi-Theaters, im Hintergrund, als aufmerksame Begleiter: Christian Tetzlaff spielt Tschaikowskis Violinkonzert extrem spannungsgeladen. Jede Phrase ist klug kalkuliert, alles ist ganz darauf ausgerichtet, den Komponisten vom ewigen Kitschvorwurf zu entlasten. Das ist verdienstvoll, genauso wie Tetzlaffs Virtuosität beeinruckend ist. Doch der Geiger prescht so rasant voran, dass die Sache beginnt, rasend zu werden, sein Ton wird so schlank, dass er fast mager klingt, wie mit hochgezogenen Schultern gespielt. Tetzlaff genießt es nicht, sein Publikum mit dieser süffigen Musik zu verwöhnen.

Für den zweiten Teil hat Vedernikov Dmitri Schostakowitschs 11. Sinfonie ausgewählt. Ein enormes Risiko. Denn man muss viel wissen über das Leiden des von bolschewistischen Kulturfunktionären gepiesackten Komponisten, um die Doppeldeutigkeit seiner Musiksprache zu verstehen, um die Tondichtung auf die Revolution von 1905 so spielen zu können, wie sie gemeint ist. Vedernikov ist ein souveräner Koordinator der Klangmassen, ein suggestiver Interpret aber ist er nicht. Darum klingt die Aufführung so, als fände sie im großen Kreml-Saal statt, prachtvoll, großmächtig, auch mal brutal laut, aber nie so brutal wie die Wirklichkeit. Was bleibt, ist die Hochachtung vor der Konzentrationsleistung der jungen Musiker. Im kommenden Jahr werden die Jeunesses Musicales wieder von ihrem Yakov Kreizberg betreut, einem bekanntermaßen beeindruckenden Orchestererzieher. Neues Glück, neues Spiel.

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