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Kultur: Musik in Berlin: Manhattans Schatten: Die New York Schoenberg-Group

Bei der Organisation der 51. Berliner Festwochen hatte man wahrlich noch nicht ahnen können, welch trauriger Symbolwert diesem "Zwillings-Konzert" (zwei kammermusikalische Abende mit der jeweiligen Programmfolge Schönberg-Haydn-Schönberg) angesichts der zerstörten Zwillingstürme von Manhattan zukommen würde.

Bei der Organisation der 51. Berliner Festwochen hatte man wahrlich noch nicht ahnen können, welch trauriger Symbolwert diesem "Zwillings-Konzert" (zwei kammermusikalische Abende mit der jeweiligen Programmfolge Schönberg-Haydn-Schönberg) angesichts der zerstörten Zwillingstürme von Manhattan zukommen würde. Diese warfen ihre nun nicht mehr vorhandenen langen Schatten auch auf den Kammermusiksaal der Philharmonie, insofern drei der Musiker der New York Schoenberg-Group nicht anreisen konnten und die verbliebenen Künstler am ersten Abend ausdrücklich auf einen Applaus verzichteten.

Die Eindrücke, die das Programm hinterließ, sind ambivalent, was mit dem Schönbergschen Sujet zu tun hatte: Die beiden viel älteren Haydn-Trios zeigten mehr Frische und Lebendigkeit, als der "Pierrot lunaire" des Jahres 1912. Dieses ist ein Werk, das in seiner ganzen symbolistischen Befrachtetheit heute einfach nicht mehr in die Zeit passt. Die Mezzosopranistin Mary Nessinger griff den Stoff attackierend auf, zog aber dem von Schönberg intendierten reinen Sprechgesang eine eher gesangliche Ausformulierung vor. Deutlich beeindruckender die anderen Schönberg-Kompositionen: am ersten Abend seine Kammersymphonie Nr. 1 in der Fassung Anton Weberns. Die komprimierte Struktur des farbenreichen Werkes litt lediglich unter einer allzu expressiven Ausphrasierung. Mit harter, gläserner Intonation dominierte die Violine Ida Kavafians das übrige Ensemble und führte es zu einer insgesamt packenden Interpretation.

In der von Schönberg auf Hitler umgemünzten Byron-"Ode to Napoleon Buonaparte" aus dem Jahre 1942 folgt auf den aufwühlenden Beginn ein stark rhythmusbetontes Stück von musikalischer Höchstspannung, die vom Sprechgesang Mary Nessingers beeindruckend aufgegriffen wurde.

Bleibt Haydn: Was dem einen der beiden Klaviertrios fehlt, besitzt das andere im Übermaß. Im E-Dur-Trio begegnen wir einem eher harmlosen Werkchen, das trotz durchaus vorhandenen Farbenreichtums auch in seinen Quantitäten kaum mehr als eine Miniatur darstellt. Deutlich anspruchsvoller dann das Trio in Es-Dur des zweiten Abends mit seinen eingängigen Melodie-Entwürfen: leicht und luftig etwa das Poco allegretto. Ida Kavafian, Fred Sherry und Peter Serkin phrasierten mit äußerster Intelligenz. In den Temperamentsausbrüchen des Finales vermeinen wir gar die Keimzelle für Schostakowitschs grandioses Klavierquintett op. 57 wahrzunehmen und - seltsam - Serkins ganzer, stets etwas linkisch wirkender Habitus erinnert an keinen anderen als an den jungen Schostakowitsch!

Die Aufführung von Schönbergs Suite op. 29 fiel den tragischen Ereignissen zum Opfer. An ihrer Stelle wurde der "Pierrot lunaire" des Vorabends wiederholt.

Friedemann Kluge

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