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Kultur: Musik in Berlin: Sturmzeit

Ist für Günter Wand Ersatz denkbar? Gerade die von Wand mit den Philharmonikern aufgeführten und auf CD festgehaltenen Bruckner-Sinfonien werden in ihrer Mischung aus spiritueller Leidenschaft und wundervoller Formenklarheit noch lange als exemplarisch gelten.

Ist für Günter Wand Ersatz denkbar? Gerade die von Wand mit den Philharmonikern aufgeführten und auf CD festgehaltenen Bruckner-Sinfonien werden in ihrer Mischung aus spiritueller Leidenschaft und wundervoller Formenklarheit noch lange als exemplarisch gelten. Aus Respekt vor Wands künstlerischer Leistung wurde dann auch, wie im Programmheft betont wird, an diesen Abenden keine Bruckner-Sinfonie aufs Programm gesetzt. Für Günter Wand dirigierte nunmehr Semyon Bychkov die Philharmoniker. Er präsentierte ein durchgängig publikumswirksames Programm.

Zu Beginn gab es das effektvoll grell gemixte Orchesterstück "Feria" des 1958 geborenen Finnen Magnus Lindberg. Zunächst schmunzelt man ein bisschen, als dabei etwas vom Jahrmarktstrubel des Strawinskyschen "Petruschka" herüber schallte, auch wenn der aufbrandende Lärm nicht jedermanns Sache ist. Mitunter dominiert aber eine geradezu marktschreierische Brutalität. Semyon Bychkovs konnte seine agile Dirigiertechnik und weltmännische Eleganz denn auch weit mehr bei der weitgehend unbekannten "Shéhérazade" entfalten - drei Liedern des jungen Maurice Ravel nach Gedichten von Tristan Klingor; der Komponist ist hier noch deutlich von Rimski-Korsakow und Debussy inspiriert. Mit diesen reizvollen Ravel-Liedern bescherte die Französin Sophie Koch, dank der glühenden Zauberkraft ihres hochkarätigen Mezzosoprans, den Clou des Abends.

Bei der zum Schluss gespielten "Pathétique" von Tschaikowsky ließ Bychkov neuerlich einen Zug zu etwas altmodisch aufbrausendem Pathos und Klangbombast erkennen. Gewiß, die Philharmoniker rollten ihr großes Klangpotential superbrillant auf, aber nicht nur beim höllischen Marsch im dritten Satz rückt Bychkov den orkanartigen Streicher- und Bläsersound allzu einseitig in den Vordergrund. Der große geistige Bogen, wie ihn einst Jewgeni Mrawinski bei Tschaikowskys sinfonischem Requiem in geschärfter Transparenz aufbaute, fehlt bei Bychkov. Das waren vier attraktiv in Szene gesetzte Sätze, denen jedoch der rote dramaturgische Faden, die hintergründige Subtilität und Spannung fehlten. Der Eindruck drängt sich förmlich auf, dass die Altmeister wie Mrawinsky oder Wand auch ihren Tschaikowsky weniger monströs dirigierten, vielmehr dynmisch eher moderner, aufgehellter und prägnanter in der Profilierung der Satzcharaktere.

Eckart Schwinger

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