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Kultur: Mythen mit Limettengeschmack

In Miami werden schon die Boote repariert. Kaum war die Nachricht von Fidel Castros Erkrankung durchgesickert, bereiteten viele Exil-Kubaner in Miami ihre Rückkehr vor.

In Miami werden schon die Boote repariert. Kaum war die Nachricht von Fidel Castros Erkrankung durchgesickert, bereiteten viele Exil-Kubaner in Miami ihre Rückkehr vor. In Havanna skandieren die Anhänger des „Máximo Líder“ derweil Sprechchöre auf die Revolution. An Kuba scheiden sich die Geister, Kuba ist ein Mythos. Nicht nur wegen Mojito und folkloristischer deutscher Filme, in denen alte Männer Musik machen.

Für manche ist Kuba die letzte Insel der Glückseligen. Hier wurde die Revolution nicht von sowjetischen Panzern implantiert, sondern von Fidel Castro, Che Guevara und Camilo Cienfuegos selbst gemacht. Es gab die Landung der „Granma“ und die Kämpfe in der Sierra Maestra. Dass das kostenlose kubanische Bildungs- und Gesundheitswesen für die Region einzigartig ist, steht außer Frage. Deswegen hat Castro seine meisten Anhänger in Süd- und Mittelamerika. Für sie ist er zudem eine Art Asterix, der den Vereinigten Staaten kühn die Stirn bietet.

Kuba ist aber auch etwas anderes: Ausgrenzung, Menschenrechtsverletzung, Dollarabhängigkeit. Das kann man aus der jüngsten Buchproduktion ablesen. Großartig sind die Kriminalromane des Kubaners Leonardo Padura . Seine Tetralogie „Havanna-Quartett“ (Unionsverlag) um Teniente Mario Conde besteht aus raffinierten Sozialrecherchen in einem Milieu, das der Öffentlichkeit meist verborgen bleibt: Homosexuelle, vom Staat enteignete Bürgerliche, unangepasste Künstler. Kein Wunder, dass Paduras Bücher im maßgeblichen Ranking, der Krimi-Welt-Bestenliste, ganz oben stehen. Der Argentinier Eduardo Belgrano Rawson rollt in seinem neuen Roman „Rosas Stimme“ (Beck) vor allem politische Geschichte auf. Es geht um die US-Invasion in der Schweinebucht von 1961, aber auch um viele andere amerikanische Putschunternehmen, sei es in Allendes Chile oder im sandinistischen Nicaragua. Jorge Edwards schließlich erzählt in einem dreißig Jahre alten Buch, das erst kürzlich bei uns erschien, wie er als chilenischer Botschafter der Regierung Allende von Fidel Castro zur „Persona non grata“ (Wagenbach) erklärt wurde.

Bernd Wulffen war von 2001 bis 2005 deutscher Botschafter in Havanna. In jener Zeit also, als Europa – im Unterschied zum US-Embargo – einen „Wandel durch Annäherung“ versuchte. Castro ließ unterdessen Oppositionelle verhaften. Am Sonntag wird Castro 80. Höchste Zeit, sich mit einem Szenario des Post-Fidelismo zu beschäftigen. Das tut Wulffen, wenn er am Donnerstag, 10.8. (19 Uhr), sein Buch „Eiszeit in den Tropen“ (Ch. Links Verlag) im Auswärtigen Amt (Werderscher Markt 1, Mitte) vorstellt.

Wie post-sozialistische Literatur klingen kann, erfährt man ebenfalls am 10.8. (20 Uhr) im Literarischen Colloquium (Am Sandwerder 5, Zehlendorf). Hier präsentieren „Hausgäste“, also gegenwärtige Stipendiaten, den Stand ihrer Arbeit. Dabei sind Jaroslav Rudiš aus Prag, Kristián Grecsó aus Budapest und Mojca Kumerdej aus Ljubljana. Mythen gibt es auch in Osteuropa zuhauf. Nur mit Mojito haben sie wahrscheinlich nichts zu tun.

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