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Kultur: Nach dem Umsturz

Von den unzähligen Revolutionen, die es in der Kunst gegeben hat, ist die Erfindung der Concept Art die wohl am nachhaltigsten verstörende. Der Primat der Idee über das Artefakt ist ja auch nicht immer leicht zu verstehen, obwohl eigentlich auch jede gotische Madonna, jedes Renaissance-Porträt natürlich in erster Linie Ideenträger ist – man sieht es ihnen halt nur nicht auf Anhieb an.

Von den unzähligen Revolutionen, die es in der Kunst gegeben hat, ist die Erfindung der Concept Art die wohl am nachhaltigsten verstörende. Der Primat der Idee über das Artefakt ist ja auch nicht immer leicht zu verstehen, obwohl eigentlich auch jede gotische Madonna, jedes Renaissance-Porträt natürlich in erster Linie Ideenträger ist – man sieht es ihnen halt nur nicht auf Anhieb an.

Einer der großen Umstürzler der Konzeptkunst stellt derzeit bei Barbara Weiss aus (Zimmerstraße 88–91, bis 3. November). Niele Toroni , der in den sechziger Jahren zusammen mit Buren, Mosset und Parmentier die Malerei, ach was: die Kunst an sich vollkommen neu denken wollte, präsentiert dort drei Werkkomplexe, die zeigen, wohin die Reise für Revoluzzer geht. Denn bisher ist noch jeder Senkrechtstarter irgendwann dort gelandet, wo die Betrachtung ganz bei sich ist: im Kabinett des gepflegten, leicht hypertrophen Kunstkonsums. Hier ein Dreieck, da ein Trapez, dort ein Quadrat und das im Zweifel eben auch auf Leinwand: Von der revolutionären Geste der längst berühmten „Abdrücke eines Pinsels Nr. 50, wiederholt in regelmäßigen Abständen von 30 cm“ ist das geblieben, was von Revolten meistens bleibt: ein sentimentales Wiedersehen mit den Kombattanten von einst.

* * *

Auch Dan Peterman hatte schon mal eine bessere, weil radikalere Phase. Was vielleicht daran liegt, dass dem 1960 geborenen Amerikaner selbst gerade etwas ziemlich Radikales widerfahren ist: Sein Atelier ist ausgebrannt. Die Überreste sind nun als seltsam archaisch wirkende Zeichen bei Klosterfelde zu besichtigen, vereint mit älteren Arbeiten wie der „M. Kippenburger (sic!) Installation“ aus der Renaissance Society in Chicago (Zimmerstraße 90/91, bis 28. Oktober). Für Peterman hat Recycling eine philosophische Qualität, außerdem gefällt ihm, was die westliche Zivilisation so alles an Lebensformen generiert. Ein Wespennest an einer elektrischen Schaltbox zum Beispiel beweist Anpassungsfähigkeit und Widerstand zugleich. Womöglich verbindet Peterman und Toroni mehr, als sie beide ahnen (Preise auf Anfrage) .

Ulrich Clewing

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