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Kultur: Nahost: "Beweise für einen Attentats-Plan müssen handfest sein". Völkerrechtler Klein über die Legalität der israelischen Angriffe

Eckart Klein (58) ist Professor für Staats- und Völkerrecht und Chef des Zentrums für Menschenrechtean der Universität Potsdam. Herr Klein, seit Monaten werden radikale Palästinenser in den Autonomiegebieten von israelischen Kommandos getötet.

Eckart Klein (58) ist Professor für Staats- und Völkerrecht und Chef des Zentrums für Menschenrechte

an der Universität Potsdam.

Herr Klein, seit Monaten werden radikale Palästinenser in den Autonomiegebieten von israelischen Kommandos getötet. Israel argumentiert, die Getöteten seien Terroristen und die Angriffe auf sie im Sinne einer vorsorglichen Selbstverteidigung rechtlich gedeckt. Stimmt das?

Um das zu beantworten, müsste man die konkreten Umstände des jeweiligen Falles kennen. Eine solche so genannte präventive Selbstverteidigung wie am Dienstag in Nablus, als bei einem Angriff auf ein Hamas-Büro acht Menschen starben, setzt voraus, dass es ganz genaue Anhaltspunkte dafür gibt, dass von den mutmaßlichen Terroristen auch tatsächlich eine Attacke vorbereitet wird und unmittelbar bevorsteht.

Wie stichhaltig muss so ein Beweis sein? Niemand kann in die Zukunft sehen, ein geplanter Anschlag ist noch kein ausgeführter.

Man kann das schon weitgehend beweisen. Geheimdienste bekommen so etwas heraus und den möglichen Irrtum muss man eben einbeziehen. Die Beweise für einen Attentats-Plan müssen aber handfest sein, sonst wird das Allgemeine Völkerrecht verletzt.

Präventive Verteidigung ist nicht neu. Israel hat mit der Begründung vor 20 Jahren einen irakischen Atomreaktor zerstört, der im Verdacht stand, eine Kernwaffenfabrik zu sein.

In der juristischen Literatur hat das damals eine kontroverse Debatte entfacht. Kann man einen Atomreaktor als unmittelbar gegen Israel gerichtete Gefahr ansehen?, das war die Frage damals.

Angenommen, es gäbe eine unblutige Alternative zum Vorgehen Israels: Wenn die mutmaßlichen Terroristen im Autonomiegebiet nicht getötet, sondern verhaftet worden wären und vor einen israelischen Richter gestellt, wäre das rechtens gewesen?

Zumindest wäre das ein denkbarer Weg, der aber für die israelischen Soldaten eine größere Gefährdung bedeutet hätte.

Sind Terroristenanschläge - die gemessen an Kriegshandlungen ja weniger massiv sind - bewaffnete Angriffe im Sinne des Völkerrechts? Erst dann bestünde ja ein Recht zur Selbstverteidigung.

Darüber wird viel diskutiert. Der Internationale Gerichtshof hat schon 1986 wegen des US-amerikanischen Einsatzes in Nicaragua über diese Gewichtung gestritten. Nicaragua ist in der Auseinandersetzung mit El Salvador mit Nadelstichen noch unterhalb eines militärischen Angriffs vorgegangen, worauf die Vereinigten Staaten für El Salvador massiv zurückgeschlagen haben. Der Internationale Gerichtshof hat damals gesagt, das sei nicht zulässig.

Sie selbst haben das Urteil kritisiert.

Weil sonst diejenigen, die diesen Nadelstichen ausgesetzt sind, überhaupt keine Möglichkeit haben, sich dagegen zur Wehr zu setzen. Das ist ein Dilemma, das es auch im innerstaatlichen Terrorismus gibt. Mit rechtsstaatlichen Mitteln sich gegen jemanden zu wehren, der alle rechtsstaatlichen Prinzipien beiseite schiebt, ist außerordentlich schwierig. Das macht die Bewertung einer militärischen Gegenwehr so kompliziert. Man kann etwas durchaus aus rechtlichen Gründen verurteilen, aber gleichzeitig muss man Verständnis dafür haben, wie ein Staat sich in einer solch außerordentlichen Situation schützt.

Herr Klein[seit Monaten werden radikale Palä]

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