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Kultur: Naumanns Abgang: Sowas war noch Nida

Keine Scherze mit Namen, no jokes on names, lautet eine ehrwürdige Journalistenregel. Doch manchmal darf sie auch durchbrochen werden.

Keine Scherze mit Namen, no jokes on names, lautet eine ehrwürdige Journalistenregel. Doch manchmal darf sie auch durchbrochen werden. Als Gerhard Schröder, der Kanzlerkandidat, im Vorwahlkampf 1998 gänzlich unerwartet den Verleger und Ex-Journalisten Michael Naumann als künftigen Staatsminister für Kultur präsentierte, da juchzte es und juxte es in den Feuilletons über die neue Lichtgestalt im Schattenkabinett. Naumann wurde zum Now-Man erkoren: Mit seinem Kopf sollte der föderal zerstreute, an der politischen Spitze bisher nur durch Bonner Staatssekretäre, kommunale Dezernenten und eine meist blasse Konferenz der Landeskultusminister repräsentierte Kulturstaat Deutschland ein glanzvolleres Gesicht erhalten.

Und jetzt wäre Naumann für die Politik bald schon wieder ein Yesterday Man? Oft genug ist der elegant weltläufige, ebenso geistreich wie zuletzt auch etwas edelmüde wirkende Quereinsteiger zum Paradiesvogel der Berliner Republik erklärt worden. Um diesem Ruf des leicht Flatterhaften entgegenzuwirken, hat Naumann selbst wiederholt erklärt, er wolle dem Land und seinem Kanzler, den er auch bei dessen gesellschaftlich-kulturellen Kontakten und bei Auftritten im Ausland berät, eine volle Legilaturperiode lang dienen. Nun aber lockt die "Zeit", deren Redakteur Naumann in den siebziger und achtziger Jahren war, mit der Position des Mitherausgebers - und bereits nach der Hälfte seiner Amtszeit ist das Ende des politischen Intermezzos absehbar. Der bald 59-jährige Naumann, zuvor auch Rowohlt-Chef und zuletzt Leiter des New Yorker Verlagshauses Henry Holt (beide wie die "Zeit" zur Holtzbrinck-Gruppe gehörend), er hatte sich als Historiker und Philologe einst über den "Strukturwandel des Heroismus" habilitiert. Womöglich glaubt er nach zwei Jahren des politischen Aufstiegs nur noch die unheroischeren Mühen der Ebene vor sich zu haben.

Dabei wird es mit den Aufgaben gerade dort erst ernst. Nach manchen Anlaufschwierigkeiten beginnt Naumanns Politik zu greifen. Das dem Kanzleramt unterstellte Ressort des "Beauftragten der Bundesregierung für Angelegenheiten der Kultur und der Medien (BKM)" - so lautet der originale Titel - hat zwar wenig exekutive Macht und verfügt mit etwas mehr als 1,6 Milliarden Mark im Bundeshaushalt bloß über ein Minibudget. Und dieses ist, allen stolzen Bekundungen des Kanzleramts zum Trotz, gegenüber dem letzten vergleichbaren Referatsetat im Hause Kohl, nur unwesentlich gestiegen. Trotzdem ist die Bedeutung der Bundeskulturpolitik mit der Bestallung Michael Naumanns (und dem Umzug von Bonn nach Berlin) ganz unvergleichlich gewachsen.

Das gilt einmal auf der europäischen Ebene: Die Brüsseler Kommission, eher von wirtschaftlichen Interessen und bürokratischen Verstrickungen bestimmt, hat jetzt bei einer Vielzahl interkultureller Fragen den von Kanzler Schröder in seiner Regierungserklärung vor zwei Jahren verheissenen "Ansprechpartner". Und bei der von Naumann (als Bücherschlange) tatsächlich heroisch verteidigten Buchpreisbindung ist daraus auch ein streitbarer Widerpart geworden. Vom internationalen Medien- und Urheberrecht bis zu den ethischen und lebenskulturellen Problemen der neuen Biotechniken: auf vielen, immer neuen Gebieten wäre dieser Kulturstaatsminister auch in internationalen Verhandlungen gefragt. Mindestens als "Impulsgeber" (so der Kanzler beim Regierungsantritt).

Impulsgeber, Berater und Anreger: das sind die Funktionen des Kulturstaatsministers, auch in der Innnepolitik. Und in diplomatisch heiklen Missionen. Naumann hat sich Verdienste erworben bei der Recherche und Rückgabe von Kunstwerken an NS-Opfer und deren Erben, er hat zudem die "Beutekunst"-Verhandlungen mit Russland entschieden in der Sache, doch mit historischem Gespür, mit ernergischem Takt geführt. Und trotz anfänglicher Ungeschicktheiten ist die endlos scheinende Diskussion um das Berliner Holocaust-Denkmal unter Naumanns Moderation in einem nunmehr absehbaren Projekt gemündet. Auch gibt es erstmals ein übergreifendes Konzept für die Stätten der Erinnerung an die Opfer der Nazizeit - auch wenn es etwa am entschiedeneren Engagement des Bundes bei der finanziell noch nicht gesicherten Berliner "Topographie des Terrors" fehlt.

Dies ist kein zufälliges Beispiel: Weil es die Position des Bundes in der Hauptstadt und damit auch das zukünftige Verhältnis zwischen Föderalismus und Bundesregierung berührt. Klar ist ja mittlerweile, dass Berlin selbst bei schärfster Haushaltsdisziplin und mit den ingeniösesten Konzepten des Kultursenators die Rolle einer Hauptstadt der Künste und Wissenschaften aus eigener Finanzkraft nicht erfüllen kann. Und so ist der zwischen Naumann und Christoph Stölzl unlängst ausgehandelte "Hauptstadtkulturvertrag" noch nicht mehr als ein (erstes) Stückwerk.

Von Berlins Opern, Theatern und Museen, von der Museumsinsel und der nahe gelegenen Brache des Schlossplatzes reden wir jetzt nicht im Detail. Hier warten auf Naumanns prospektiven Nachfolger Julian Nida-Rümelin noch jede Menge Herausforderungen. Nida-Rümelin, gelernter Philosoph, seit zweieinhalb Jahren Kulturreferent in München, am reichen Gegen(metro)pol, ist einer der spin-doctors der SPD - und bundespolitisch das sprichwörtlich unbeschriebene Blatt. Da hat nun viel Platz, da muss nun viel drauf, und nicht nur der Schatten, den Naumann jetzt schon wirft. Er geht ja nicht als Gescheiterter - zuletzt hat er mit dem 200-Millionen-Ankauf der unschätzbar wertvollen Gemäldesammlung des nach Berlin zurückgekehrten Emigranten Heinz Berggruen sogar noch einen Coup gelandet. Ob der ihm den Abgang erleichtert?

Was hat Naumann erst letzte Woche im Bundestag gesagt: "Das ist das Schöne bei der Kultur: Man kann meistens irgendwo in der Mitte aufbrechen, das Podium verlassen, ohne das Gefühl zu haben, man würde sich niemals wiedersehen." Hierauf vermerkt das Parlamentsprotokoll "Heiterkeit und Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN", und Antje Vollmer ruft aus: "Einen schöneren Schluss als Berggruen kriegen Sie sowieso nicht!" Basta così.

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