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Engelchen, Bengelchen. Gunter Gabriel und Barbara Felsenstein als singende Erinnerungsarbeiter.

© dpa

Gunter Gabriel im Theater am Kurfürstendamm: Nennt mich nicht Susi

Gunter Gabriel hat Abstürze und Auferstehungen hinter sich. Nun spielt der Sänger am Kurfürstendamm in einer Revue über sein Leben.

Er ist ein großer, kolossartiger Mann, seine Bewegungen wirken grobschlächtig. Was er macht, nennt er „Malochermusik“. Aber wenn er singt und Gitarre spielt, dann tanzen die Engel. Genauer gesagt: Ein Engel tanzt Rock’n’Roll, während er mit der vierköpfigen Band „Hound Dog“ spielt. Musik, erzählt Gunter Gabriel, war seine Rettung und Elvis sein Idol. „Elvis wollte nicht Händchen halten, Elvis wollte ficken.“ Aufgewachsen in ärmlichen Verhältnissen als Sohn eines Schrankenwärters, ungeliebt und oft geschlagen, lernte der Sänger damals, was er mit einer Gitarre alles erreichen konnte. Ruhm! Geld! Frauen! Der Engel, ein barfüßiges Wesen mit umgehängten Flügeln, von Barbara Felsenstein halb unschuldig und halb sexy gespielt, schreibt alles mit.

Denn dieser Abend mit dem Titel „Ich, Gunter Gabriel“ ist eine große Abrechnung. Als sich der Vorhang öffnet, liegt Gabriel tot auf der Bühne des Theaters am Kurfürstendamm. Der Engel steigt hernieder, um sich von ihm sein Leben erzählen zu lassen. Solange Gabriel erzählt und singt, hört der Engel zu. Wenn er fertig ist, muss Gabriel mitkommen – herauf in den Himmel oder hinab in die Hölle, je nachdem. Geschrieben und inszeniert hat diese Mischung aus Revue, Zweipersonendrama und Konzert Volker Kühn, der mit Gabriel bereits die gefeierte Musikerbiografie „Hello, I’m Johnny Cash“ produziert hatte. Und weil Gabriel inzwischen 71 Jahre voller Erfolge, Abstürze und Wiederauferstehungen hinter sich hat, wird es ein rührseliger, kalauernder, umjubelter dreistündiger Abend.

Als sein Vater starb, kaufte er sich eine Pulle Schampus

Die Songs „Man nannte ihn Puma“ und „Ein Junge namens Susi“, seine Version von Cashs „Boy named Sue“, sind wütende Auseinandersetzungen mit dem gewalttätigen Vater. Dem reichte es nicht, seinen Sohn körperlich zu verletzen. Er musste ihn auch demütigen. Gabriel erzählt, wie er sich einmal wehrte und den Vater krankenhausreif prügelte. Wie er ihn im Keller vom Strick schnitt, an dem er sich erhängen wollte. Und dass er eine „Pulle Schampus“ kaufte, als der „Alte“ starb. Fans kennen viele Anekdoten schon aus Gabriels Memoiren „Wer einmal tief im Keller saß“.

Seine Mutter starb an den Folgen einer Abtreibung, als er vier war. Gabriel erinnert sich nur an den „schwarzen Leichenwagen“. Der Trauerfall schlägt den Bogen zum zweiten Teil des Abends, der sein dramaturgisches Gerüst abstreift und immer konzertanter wird: „Du bist Millionär, Bettler oder Zombie / Doch der letzte Wagen ist immer ein Kombi.“ Die Liebe hat Gabriel gesucht, aber nicht gefunden. Er habe „die Frauen nicht gezählt, nur die Ehen. Das waren vier, glaube ich“.

Vierzig Lieder singt Gabriel, seine Hits „Hey Boss, ich brauch mehr Geld“, „Intercity Nr. 4“ und „Komm unter meine Decke“ montiert er zum Schnelldurchlauf durch die ZDF-„Hitparade“. Was für ein präziser Texter er ist, zeigt sich in „Frankys Curry-Station“. Eine Ballade übers nächtliche Berlin, wo sich die Straßen abschminken. Fernfahrer, die nach Diesel duften, treffen im Imbiss auf ein Mädchen, „das weint, weil es schwanger ist und weiß nicht wovon“. „Habt ihr noch Zeit, ist das gut für euch?“, fragt Gabriel. Und die Zugaben hören nicht mehr auf.

Bis 1. September, Mo–Sa 20, So 18 Uhr

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