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Vogelliebhaber. CHarles Willeford (ml.) spielte in der Verfilmung seines Romans eine Rolle als Kampfrichter. Hier eine Szene mit Warren Oates (li.).

© Archiv Betsy Willeford

Neuauflage des Pulp-Klassikers „Hahnenkämpfer“: Früh aufstehen, raufen, die Frau beschützen

Charles Willeford war einer der großen hard-boiled Literaten Amerikas. Sein Pulproman „Hahnenkämpfer“ wurde neu aufgelegt. Selten sind Kino und Literatur so untrennbar miteinander verbunden.

Von Andreas Busche

Selbst unter den naturgemäß wortkargen Antihelden der Pulp Fiction ist Frank Mansfield eine Ausnahmeerscheinung. Frank hat ein Schweigegelübde abgelegt, er will erst wieder sprechen, wenn er sein Ziel erreicht hat: den Titel „Hahnenkämpfer des Jahres“ im härtesten Tournament des Landes durch die US- Südstaaten zu gewinnen. Die Voraussetzungen dafür stehen am Anfang von Charles Willefords Roman „Hahnenkämpfer“ schlecht. Frank verliert seinen letzten Vogel mitsamt Wetteinsatz (Auto und Wohnwagen) an den Konkurrenten Jack Burke. Und da er schon mal tabula rasa macht, gibt er gleich noch seiner blutjungen Freundin Dody den Laufpass. Mit leichtem Gepäck macht sich Frank per Anhalter auf den Weg zu seinem Bruder, der ihm Geld schuldet. Frank bleiben nur ein paar Monate, um neue Hähne für den Wettkampf zu trainieren.

„Hahnenkämpfer“ hat eine holprige Veröffentlichungsgeschichte hinter sich. Kurz vor seinem Erscheinen 1962 machte der Verleger Pleite (er starb kurz darauf), sodass nur ein verschwindend geringer Teil der Auflage in die Läden gelangte. Willeford hatte bis dahin ein paar Kurzgeschichten veröffentlicht, ein Pulp-Autor unter vielen. Anfang der siebziger Jahre wurde der Roman wieder aufgelegt, die Filmrechte sicherte sich B-Movie-Produzent Roger Corman, der bis dahin mit Genrefilmen und Edgar-Allen-Poe-Adaptionen schnelles Geld gemacht hatte. Willefords kurze Filmkarriere war eher ein glücklicher Unfall. Plötzlich fand er sich in den hippen Kreisen von New Hollywood wieder, wenn auch nur an dessen äußerster Peripherie. Regisseur Monte Hellman, der zuvor mit „Two-Lane Blacktop“ einen Kultfilm der Hippie-Ära gedreht hatte, engagierte Willeford als Drehbuchautor und gar für eine Nebenrolle als alternder Kampfrichter.

Willeford tingelte monatelang durch die Hahnenkampf-Szene

Auch auf dem deutschen Buchmarkt war „Hahnenkämpfer“ kein Glück beschieden. 1990 erschien der Roman in einer verstümmelten Übersetzung, die der Lakonie des Originals kaum gerecht wurde. Die überarbeitete Neuauflage im Berliner Alexander Verlag (Übersetzung von Rainer Schmidt/Jochen Stremmel, 430 Seiten, 22,90 €.) verschafft dem Roman jetzt späte Gerechtigkeit, sie ist überfällig. Willeford gehört längst zu den wichtigsten Vertretern der Hardboiled-Literatur, geschätzt von Kollegen wie Elmore Leonard und Regisseuren wie Quentin Tarantino vor allem für seinen Roman-Zyklus um den zahnlosen Cop Hoke Moseley. In diesem Zusammenhang ist „Hahnenkämpfer" ein Kuriosum, mit seinem mäandernden, streckenweise verzweigten Erzählfluss, mit den detailliert beschriebenen Obsessionen seines stummen Helden.

Willeford tingelte für seine Recherchen monatelang durch die Hahnenkampf-Szene der Südstaaten. Er beschreibt die verrohten Rituale und blutigen Kämpfe in einer nüchternen Sprache, verzichtet auf die blumigen, oft kruden Brutalismen seiner Sex&Crime-Geschichten. Frank kann für die Schönheit seiner Kampfhähne in den höchsten Tönen schwärmen, aber seine Jugendliebe Mary Elizabeth lässt er wortlos sitzen. Für Frank gibt es nur seine Vögel, ihr Todeskampf in den staubigen Bretterverschlägen im Hinterland verklärt sich durch seine Augen zu Poesie in Bewegung. Für die Welt der Menschen hat Frank schlicht nicht das Zeug.

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„Schon 320 v. Chr.“, monologisiert er einmal, „schrieb ein alter Dichter namens Chanakya, dass ein Mann von einem Hahn vier Dinge lernen kann: zu kämpfen, früh aufzustehen, mit seiner Familie zu essen und seine Frau zu beschützen, wenn sie in Schwierigkeiten ist. Ich hatte gelernt zu kämpfen und früh aufzustehen, aber mit meiner Familie war ich nie besonders gut ausgekommen.“

Frank ist ein amerikanischer Archetyp: Southerner, Cowboy, großer Schweiger. Im Grunde passte die Figur viel besser in die siebziger Jahre, ein revisionistisches Relikt der Gegenkultur. Das Zusammentreffen mit Corman war eine glückliche Konstellation, wenn auch nicht für den Produzenten, der mit „Hahnenkämpfer“ Geld verlor. Er ist trotz allem Cormans bester Film, die Zeit erschien damals reif. Dass er Warren Oates für die Hauptrolle gewinnen konnte, besaß eine bestechende Logik. Oates verleiht Frank die melancholische Desillusioniertheit eines Sam-Peckinpah-Helden, mit dem er in „The Wild Bunch“ und „Bring mir den Kopf von Alfredo Garcia“ gearbeitet hatte. Sein Spiel besitzt eine lyrische Physis. Frank ist mit jeder Faser präsent, zieht sich aber wie ein Weichtier in seinen Körperpanzer zurück.

Neuauflage mit Tagebuch-Einträgen

„Hahnenkämpfer“ gehört zu den seltenen Beispielen in der Literatur- und Kinogeschichte, bei denen Roman und Film eine unzertrennliche Einheit bilden – nicht zuletzt weil Willeford mit seinen kurzen Auftritten als Franks väterlicher Freund der Geschichte eine menschliche Dimension verleiht. Umso schöner ist es, dass der Verlag seine Neuauflage um Willefords erstmals auf Deutsch übersetzte Tagebuch-Einträge von den Dreharbeiten ergänzt hat. Sein Außenseiterblick rückt einige New-Hollywood-Mythen zurecht, seine Beobachtungen sind bisweilen amüsiert und immer pointiert.

Willefords Beschreibungen von Monte Hellmans (und Roger Cormans) Arbeitsweise bringen das Verhältnis von Roman und Film schön auf den Punkt. Seine Hoffnung auf eine Karriere als Drehbuchschreiber erfüllten sich allerdings nicht. Die zweite Adaption seiner Romane, der Hoke-Moseley-Geschichte „Miami Blues“ mit dem jungen Alec Baldwin, erlebt er nicht mehr. Willeford stirbt 1988 an seinem schwachen Herz.

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