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Denkmal für Else Lasker-Schüler in Wuppertal.

© Bernd Thissen/dpa

Neue Bücher: Else Lasker-Schüler, die Heimatlose

Zwischen Berlin und Jerusalem: Zum 150. Geburtstag von Else Lasker-Schüler beschäftigen sich neue Veröffentlichungen mit der Exilschriftstellerin.

Else Lasker-Schüler fordert bis heute zu widersprüchlichen Reaktionen heraus. Sie reichen von emphatischen Verehrungsbekundungen wie „der schwarze Schwan Israels“ (Peter Hille), „Psalmistin der deutschen Avantgarde“ (Walter Mehring) oder „die größte Lyrikerin, die Deutschland je hatte“ (Gottfried Benn) bis zu Franz Kafkas Abwertung: „Ich kann ihre Gedichte nicht leiden, ich fühle nichts als Langeweile über ihre Leere und Widerwillen wegen des künstlichen Aufwandes“.

So gab es zu ihrem 150. Geburtstag im Februar auch keine Ehrung durch das Berliner Kulturstaatsministerium, sondern nur eine Sonderbriefmarke des Finanzministeriums mit dem Hinweis, dass Else Lasker-Schüler „von den exilierten deutschen Künstlerinnen noch immer eine der aktuellsten“ sei.

Biblische Gestalten und Nazis

Die eindrucksvollste Geburtstagsveranstaltung war die vom Dubnow-Institut organisierte und von der Universität Jerusalem unterstützte „Hebräerland“-Konferenz in Leipzig mit prominenten Experten wie ihrem Biografen Jakob Hessing und Itta Shedletzky, der Herausgeberin der historisch-kritischen Werkausgabe im Jüdischen Verlag. In der Diskussion ging es um die Frage, ob und wie sich die Einwanderin dem unter deutschen Juden damals verbreiteten Assimilationswunsch verweigerte.

Auch in Palästina ist Else Lasker-Schüler eine Außenseiterin geblieben. „Ich kann die Sprache / Dieses kühlen Landes, / Und seinen Schritt nicht gehen“, bekannte sie in dem Gedicht „Heimweh“. So ist auch ihr „Hebräerland“ (1937), das literarische Ergebnis ihrer ersten Palästinareise, ein Fantasieland, das aus der Entfernung beschrieben wird.

Die Diskrepanz zwischen dem mythischen Jerusalem der messianischen Hoffnungen und den realen Alltagserfahrungen mit Politik und Zeitgeschichte hat sich mit großem Nachdruck in ihrem nachgelassenen Drama „IchundIch“ (1940/41) niedergeschlagen. Darin vermischen sich biblische Gestalten mit Faust/Mephisto und Protagonisten des „Dritten Reichs“.

Unbehaust in der modernen Existenz

Der „IchundIch“-Widerspruch sollte sich als ein lebenslanges schriftstellerisches Prinzip entwickeln, das durch alle ihre Zwischenstationen geprägt wurde. Entsprechend unbehaust war Else Lasker-Schüler nicht nur in Palästina, sondern schon in ihrem Geburtsort Wuppertal (Elberfeld), wo sie zu schreiben begann, und natürlich vor allem in Berlin – aber auch in Zürich.

Zum Jubiläum sind fast unbemerkt drei neue Bücher erschienen, die versuchen, diesen Orten Texte, Anekdoten und Erinnerungen der Autorin zuzuordnen. Durch den Dialog zwischen frühen und späteren Texten (und Selbstzitaten) erhält der Leser Hinweise auf das Doppel-Ich der Autorin und die Entwicklung ihrer Gedankenwelt, in deren Mittelpunkt – ähnlich wie bei Heinrich Heine – das Judentum, weibliche Physiologie und auch deutsche Romantik standen.

Widersprüchliche Sehnsucht nach deutsch-jüdischer Authentizität

Diese individuelle expressionistische Bilderwelt ist besonders anschaulich in Jörg Aufenangers „Else Lasker-Schüler in Berlin“ dargestellt. Fast vierzig Jahre lang zog Lasker-Schüler „heimatlos“ durch Berlin, hat gelebt, geliebt und geschrieben. Aufenanger entdeckt nicht, sondern erinnert an eine schillernde Persönlichkeit, die keine nach innen gekehrte „Seherin“ war, sondern auch ihre soziale Umgebung mit allen Details und Widersprüchen wahrnahm. Berlin erschien ihr gleichzeitig zu klein und zu groß.

Etwas zu kurz kommt die inhaltliche Beschreibung Lasker-Schülers widersprüchlicher Sehnsucht nach deutsch-jüdischer Authentizität. Im November 1932 erhielt sie noch den Kleist-Preis, dann musste sie vor dem brutalen Antisemitismus aus Berlin fliehen. Die Sehnsuchtsfarbe der deutschen Romantik verband sich mit dem Bild der Zerstörung: „Nun tanzen die Ratten im Geklirr./Zerbrochen ist die Klaviatur.../Ich beweine die blaue Tote.“

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