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Kultur: Neue Ministerinnen in neuen Ministerien: Aus der Reserve

Da lächelt der fahle Kanzler, der zwölf Uhr Mittags die Namen der Neuen verkündet, die seit drei Stunden im Regierungsviertel die Runde machen. Es war doch Andrea Fischer, die mit ihrem Rücktritt alles ausgelöst hat, behauptet einer und will wissen, ob der Kanzler das Heft nicht lieber selbst in der Hand gehabt hätte.

Da lächelt der fahle Kanzler, der zwölf Uhr Mittags die Namen der Neuen verkündet, die seit drei Stunden im Regierungsviertel die Runde machen. Es war doch Andrea Fischer, die mit ihrem Rücktritt alles ausgelöst hat, behauptet einer und will wissen, ob der Kanzler das Heft nicht lieber selbst in der Hand gehabt hätte. "Ich habe die eine oder andere Legende zur Kenntnis genommen," sagt der Bundeskanzler den versammelten Journalisten milde. "Ich führe eine Koalitionsregierung und habe dafür zu sorgen, dass Entscheidungen in beiden Fraktionen getragen werden. Dazu braucht man Zeit, und die habe ich genutzt." Schröders Legendenbildung über die stürmischen Stunden am Dienstag läuft darauf hinaus, "dass ich am Zustandekommen des Ergebnisses nicht unbeteiligt war."

Keine Frage - keine Frage aber auch, dass es am Dienstagnachmittag zwischen vier und fünf ziemlich unruhig zuging im Kanzleramt. Die grüne Gesundheitsministerin hat sich für sechs Uhr zur Pressekonferenz angekündigt. Im Regierungsviertel raunt es: Rücktritt? Im Kanzleramt weiß man bereits, dass Fischer gehen wird. Landwirtschaftsminister Funke ist auf dem Weg nach Berlin, am Tage hat er noch Reden jenseits vom Amtsmüdigkeit gehalten. Aber er weiß, was für den Kanzler und die inneren Machtkreise von SPD und Grünen seit Wochen feststeht: Wenn einer der beiden verantwortlichen BSE-Minister im Kabinett zurücktritt, dann wird der andere folgen müssen. "Er hat es getan", sagt Schröder mit hörbarem Ausrufungszeichen am Mittwoch, um nicht darauf antworten zu müssen, ob und wie er selber seinen alten Weggefährten aus Niedersachsen noch drängen musste. Schröder hat am Dienstagnachmittag mit Funke telefoniert, "sehr freundschaftlich", heißt es im Umfeld des Kanzlers, "ohne weitere Beeinflussung".

Am späten Dienstagnachmittag ist im Kanzleramt also klar: Die Situation ist da. "Für Schröder überraschend", räumen auch Genossen ein. Den Zeitpunkt hat Andrea Fischer bestimmt, kein Personal-, und kein Strukturpaket ist fertig geschnürt. Aber man denkt an diesem Tag nicht das erste Mal darüber nach. Die Sozialdemokraten sind es, die leise träufeln lassen, dass es auf Andrea Fischer "aber doch Druck von den Grünen", namentlich von Fritz Kuhn und Joschka Fischer, gegeben habe. Telefonate, Gespräche, Verabredungen - nach vier Minister-Demissionen in weniger als zwei Monaten hat man Routine. Schließlich setzen sich der Kanzler, Fraktionschef Peter Struck, SPD-Generalsekretär Franz Müntefering und natürlich Schröders Kanzleramtschef Frank-Walter Steinmeier und Regierungssprecher Heye um neun Uhr abends im Kanzleramt zusammen. Einen Steinwurf entfernt, im Auswärtigen Amt, tagt eine grüne Runde. Joschka Fischer, die Parteichefs Fritz Kuhn und Renate Künast, die Fraktionsvorsitzenden Rezzo Schlauch und Kerstin Müller und Geschäftsführer Bütikofer. Als die grünen Akteure gegen zehn Uhr zum Kanzler fahren, ist vieles schon glasklar.

Zum Beispiel: Bärbel Höhn, die am frühen Abend noch in der Diskussion ist, wird es nicht. Die grüne Umweltministerin aus Nordrhein-Westfalen wird am Mittwoch laut gelobt für ihre konsequente BSE-Politik. Doch Bundesministerin soll sie nicht werden. "Da sind sich Kanzler und Vize-Kanzler einig", sagen Eingeweihte bei den Grünen. Bärbel Höhn, die gern nach Berlin gegangen wäre, weiß selbst am besten, dass ihr innerparteilicher Rivale Joschka Fischer heißt, dem sie mit ihrer Ablehnung des Kosovo-Einsatzes schwer zu schaffen gemacht hat.

Klar ist auch: Die erste Entscheidung ist eine Strukturentscheidung und auf die Besetzung haben die Grünen den ersten Zugriff. Der Verbraucherschutz soll sichtbar gestärkt werden, und zwar weg vom Gesundheits- hin zum Landwirtschaftsministerium. Man ist sich einig, dass der umgekehrte Weg die Landwirtschaft zum reinen Lobbyisten-Amt machen würde, was niemand will. Klar ist auch: Die Grünen werden dieses neue Ministerium mit Parteichefin Künast besetzen, woraus fast automatisch folgt: Die SPD besetzt das Gesundheits-Ressort mit Fraktionsvize Ulla Schmidt, die sich über die Rentenschlachten in der Fraktion ministrabel gemacht hat. Eher der Höflichkeit halber fällt noch der Name der neuen gesundheitspolitischen Sprecherin der SPD-Fraktion, Gudrun Schaich-Walch, die "es nicht gewollt hätte."

Über Schmidt gilt schlicht: "Sie stand beim Kanzler auf der Liste." Der wiederum legt am Mittwoch Wert darauf, der neuen Amtschefin keine Vorgaben zu machen über Risikostrukturausgleich, Gesundheitsreform oder sonstiges. Am Mittwochmorgen organisiert der SPD-Generalsekretär einen Telefonrundruf, um den Segen der Präsidiumsmitgleider für die neue SPD-Ministerin zu erbitten. Er wird erteilt. "Einhellig, zustimmend, unmittelbar", wie es heißt.

Auch die grüne Renate Künast war an der Reihe. Sie bekommt die Zustimmung ihrer Parteigremien, obwohl es dort Gegrummel gibt, weil einige Höhn wollten. Künast geht mit großen Erwartungen und mit einigen Bindungen, nämlich den alten Staatssekretären, in ihr Amt. Die Grüne ist die Hoffnungsträgerin, die das Zauberwort Verbraucherschutz ausfüllen soll. Der Kanzler will nichts mehr davon wissen, dass er sie noch beim Rücktritt von Reinhard Klimmt gerüffelt hat. Ein Grüner wäre zurückgetreten, hat Künast damals gesagt, als die SPD-Spitze Klimmt noch halten wollte. "Ich verteile keine Rüffel an erwachsene Leute", sagt Schröder. Künast sei "eine sehr qualifizierte Politikerin, die das Amt gut machen wird."

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