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Der Zig Zag Club an der Hauptstraße in Friedenau.

© Kai-Uwe Heinrich

Neuer Jazz-Ort in Berlin: Der Zig Zag Club: Die Feuerwerker von Friedenau

Mit dem Zig Zag Club hat Berlin eine neue Location für hochklassigen Jazz. Demnächst steigt dort ein sechstägiges Festival.

Von Gregor Dotzauer

Über Friedenau nur das Beste. Wie viele unterschiedliche Welten existieren hier nebeneinander in entspannter Nachbarschaft. Von der verrauchten Schnapskneipe mit harten Trinkern sind es nur wenige Schritte zum Zen-Dôjô in den Gewerbehöfen an der Rheinstraße. Der Markt am Breslauer Platz, auf dem sonnabends gerne Herta Müller ihren Kaffee trinkt, floriert trotz der vielen Bioläden rundherum. Und zwischen dem Kleinen Theater am Südwestkorso und dem Kammermusiksaal für Alte Musik in der Isoldestraße finden viele kulturelle Interessen Nahrung. Aber Jazz? Ist er in diesem Teil der Stadt nicht so fremd wie ein Affenbrotbaum neben der Kaisereiche?

Doch wo die Hauptstraße Richtung Innsbrucker Platz stadteinwärts schon leicht verödet, befindet sich hinter einer großen Schaufensterfront seit einem halben Jahr der Zig Zag Jazz Club. Links eine Tierarztpraxis, rechts ein Goldschmied. Ob das ein Sinnbild für die Kunst ist, die hier zwischen dem Animalischen und dem Feinziselierten entsteht?

Dimitris Christides und Willi Hunz managen den Laden

Ein trüber Spätoktobernachmittag. Noch sind die Stühle drinnen hochgestellt. Die Betreiber, Dimitris Christides und Willi Hunz, sind indes nicht nur gekommen, um über das sechstägige Großereignis zu sprechen, das ihnen mit Maggie Black’s Jazz Rub Festival bevorsteht. Auch sonst herrscht Betrieb. Es wird gewischt und gesaugt, bevor hier Yah Supreme, ein MC aus Brooklyn, und der aus Detroit stammende Pianist Kelvin Sholar, für den Auftritt proben. Und durch die offene Tür weht unangekündigt eine hochaufgeschossene Bluessängerin, die nach dem Mann fürs Booking sucht.

Schon jetzt kann sich Dimitris Christides vor Anfragen kaum mehr retten. Denn für das Heer talentierter Musiker, das sich in Berlin niedergelassen hat, gibt es viel zu wenige Auftrittsmöglichkeiten. Außerdem hat sich herumgesprochen, dass der Zig Zag Club im Gegensatz zu manchen Kleinst- und Hinterzimmerbühnen über ein ordentliches Soundsystem, ein Highend-Schlagzeug und einen zumindest akzeptablen Flügel verfügt, der die Gurkenklaviere manch anderer Lokalität in den Schatten stellt.

Willi Hunz, zuständig fürs Finanzielle, ist Bauingenieur und hat ausnahmsweise einmal nicht anderer Leute Häuser umgebaut. Er hat die Bar des zuvor als Noyman Miller bekannten Lokals an die Längsseite versetzt und den Raum mit einer Schallschutzdecke ausgestattet – der Bewohner im Ersten kann nicht klagen. Hunz bestätigt auch, dass in dem Hut, der auch hier nach den Konzerten herumgeht, in der Regel mehr drin ist, als den Musikern eine Festgage bringen würde – und das Geld gehört ganz ihnen.

Die Szene hat sich atemberaubend internationalisiert

Die überwiegend lokale Szene, die auf der Bühne steht, hat sich atemberaubend internationalisiert. Man muss nur den Schlagzeuger Dimitris Christides selbst nehmen, einen 1980 im Sudan geborenen Griechen, der in London studiert hat und seit zehn Jahren an der Spree lebt. Er hat die Drum School Berlin mitbegründet und sich mit dem halb bulgarischen Quartett For Free Hands einen Namen gemacht. Das Niveau, sagt er, geht hier inzwischen durch die Decke. Das liegt an Zugezogenen, die sich New Yorker Mieten nicht mehr leisten können und am bestens ausgebildeten Nachwuchs. Besonders seit das Jazz-Institut Berlin (JIB) mit US-Professoren wie Gitarrist Kurt Rosenwinkel, Drummer John Hollenbeck und Bassist Greg Cohen Jahr für Jahr neue Musiker verabschiedet, hat sich etwas bewegt – leider ohne entsprechende Resonanz. So tingeln seit zwei Jahren Ex-JIB-Studierende als KIM Collective in wechselnden Besetzungen durch Neuköllner Lokale. Sie hätten ein sehr viel größeres Publikum verdient.

Für die ihnen bereits nachfolgende Generation ist die alldienstägliche, seit kurzem von dem israelischen Pianisten Uri Gincel geleitete Jam Session gedacht. Kein Kindergarten, bei dem sich jeder mal austoben darf, sondern eine anspruchsvolle Angelegenheit, bei der jeder verloren ist, der die einschlägigen Standards nicht kennt. Nichts gegen Sessions, bei denen jeder sein Gerät auspacken darf, sagt Christides, aber mit dem Zig Zag Club verfolge er ein ehrgeizigeres Konzept.

Stilistisch ist dabei einiges möglich. Von kammermusikalischen Formen und Ethno-Jazz bis zum Soulfunk hat hier alles eine Chance, was ein aufgeklärter Mainstream zu bieten hat. Nur die völlig frei improvisierende Szene, die in Berlin ihr Weltzentrum haben dürfte, sieht er woanders. Wichtig ist für ihn neben musikalischen Qualitäten nicht zuletzt, dass die Selbstvermarktung der Beteiligten über Newsletter und Social Media funktioniert. Sonst könne sich ein Club wie der seine im allgemeinen cut-throat business nicht behaupten – dem halsabschneiderischen Geschäft, das manche Wirte auf Kosten der Musiker betreiben.

Das Programm macht sogar dem Jazzfest Konkurrenz

Mit Gilad Hekselman stand erst vor wenigen Tagen ein Gitarrist von Weltrang auf der Bühne. Doch das Beste kommt jetzt, und zwar geballt. Angesichts der Namen, die Maggie Black’s Jazz Rub Festival aufbietet, müsste sich sogar Richard Williams, der neue Leiter des Jazzfests, die Haare raufen. Mit Mark Turner eröffnet am Mittwoch der heute stilbildende Tenorsaxofonist das Festival – solo. Eine ideale Gelegenheit, um den edelschlanken Weiten seiner bis ins Altissimo-Register ausschwingenden Linien zu folgen. Tags darauf kann man ihn mit dem aus Köln stammenden Schlagzeuger Jochen Rueckert und dem Gitarristen Lage Lund hören. Aus Berlin sind unter anderem die Rosenwinkel-Schülerin Johanna Weckesser, der Saxofonist Philipp Gropper und Drummer Oliver Steidle beteiligt. Zum Finale am Sonntag tritt dann Kurt Rosenwinkel mit Eric Revis am Bass auf. Kuratiert – mit der Londoner Mäzenin Maggie Black im Hintergrund – hat das Ganze eine aus der Bildenden Kunst kommende Amerikanerin namens Patsy Craig, die Berlin seit einer Weile London vorzieht.

Festivals sind bekanntlich Feuerwerke. Aber auch wenn die Raketen verglüht sind und der Rauch sich verzogen hat, wird der Zig Zag Jazz Club mit seinem Sessel- und Couch-Retroambiente nichts von seiner Anziehungskraft verloren haben. Weil das Große und das vorgeblich Kleine, das Namhafte und das weniger Namhafte einander so nahegerückt sind wie nie. Und weil es nichts Schöneres gibt, als Musikern aus nächster Nähe auf die Finger zu schauen.

Zig Zag Jazz Club, Hauptstraße 89, Infos: www.zigzag-jazzclub.berlin, Maggie Black’s Jazz Rub Festival, 28.10. bis 2.11., Eintritt pro Abend 15/13€

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