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Kultur: Neuköllner Oper Berlin: Heldin des Laptops

Das Bild des Abends bot zweifellos Christoph Stölzl: Vom reformatorischen Tagestrott noch etwas blass um die Nase, lehnte Berlins Kultursentor an der Rampe der Studiobühne, trank ein Bier - und freute sich. Kein mühseliges Repräsentieren im Smoking mit Bussi hier und Schatzi da, bloß witziges spritziges Musiktheater - wie man das von der Neuköllner Oper eben gewohnt ist.

Das Bild des Abends bot zweifellos Christoph Stölzl: Vom reformatorischen Tagestrott noch etwas blass um die Nase, lehnte Berlins Kultursentor an der Rampe der Studiobühne, trank ein Bier - und freute sich. Kein mühseliges Repräsentieren im Smoking mit Bussi hier und Schatzi da, bloß witziges spritziges Musiktheater - wie man das von der Neuköllner Oper eben gewohnt ist. Doch ach, weit gefehlt! Die Uraufführung der "IndierInnen", einer Grand Opéra von Holger Siemann (Text) und Giacomo Meyerbeer (Musik): ein Flopp! Ein dilletantisches Desaster! Vertane Zeit! Laaangeweile!

Vier Sänger treten in wechselnder "indischer" Kostümierung auf und wieder ab (Guido Hackhausen, Kathrin Unger, Frank Bauszus, Christian Grygas). Manchmal prügeln sie sich oder fesseln sich an Backöfen (Regie: Dirk Rave). Soraya nämlich, Heldin des Laptops und der Emanzipation, liebt Mahatma, der gelähmt ist und später natürlich wieder gehen kann. Ein bißchen Greencard-Romantik, ein bißchen Rindfleisch-Exporte, ein paar mafiose Machenschaften - und zwei zähe Stunden später sitzt die Frau wieder am Herd. "Ich gehör nur mir allein", greint sie ganz ohne Reim, bevor eine Trockeneis-Bombe das Finale in die Luft jagt.

Ob Giacomo Meyerbeer sich nun im Grabe umgedreht hätte oder nicht: Seine Musik (vom "Propheten" über die "Afrikanerin" bis zu den "Hugenotten"), sie klingt, von Robert Nassmacher arrangiert und am Flügel dargeboten, entweder wie Rossini oder wie Schubert. Ein flachbrüstiger Hochschul-Mix, der eines zuallerletzt verrät: Dass es Meyerbeer als Antipoden Richard Wagners wie als Meister der Instrumentation bis heute noch zu entdecken gilt. Dann hätte bestimmt auch Christoph Stölzl an diesem Abend etwas gelernt. Fürs Leben oder für die Politik.

Christine Lemke-Matwey

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