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Nicht OHNE meine . . .: Wanderstiefel

Von Luis Trenker bis zu David Beckham ist es ein langer, blutiger Weg. Es ist ein Weg von der Ledersteinzeit in die atmungsaktive Postmoderne.

Von Luis Trenker bis zu David Beckham ist es ein langer, blutiger Weg. Es ist ein Weg von der Ledersteinzeit in die atmungsaktive Postmoderne. Früher der kernige Älpler, heute der metrosexuelle Mann. Und irgendwo dazwischen ich – mit schmerzenden Füßen.

Meine ersten Wanderstiefel kosteten so viel wie ein Fahrrad und wogen so viel wie ein Kasten Bier. Hochwertiges Leder, innen und außen, handgenäht. Die Sohle nannte der Verkäufer „steigeisensicher“. Das klang besser als: Sie biegt sich beim Gehen keinen Millimeter durch. Es wurde einem geraten, die Stiefel einzulaufen. Kein vernünftiger Mensch würde mit neuem Schuhwerk in die Berge ziehen. Ratsam sei zudem, das Einlaufen durch Tricks zu unterstützen, die sich im Krieg bewährt hätten: Mit einem Hammer die Fersenpartie weich klopfen; vor dem Anziehen in den Schuh urinieren … Also hämmerte ich und stapfte mit diesen Monstern an den Füßen durch die Stadt, um für die nächste Bergtour präpariert zu sein.

Es geschah dann im Engadin, Coaz- Hütte, 2610 Meter über dem Meer, wo unser Nachtlager war. Ich zog Stiefel und Socken aus, und die Familie schaute entsetzt auf hängende Hautfetzen und rohes Fleisch. Den Abstieg ins Roseg-Tal erledigte ich tapfer in Sandalen, die Foltergeräte baumelten am Rucksack. Erfahrene Bergfexe gaben in der Folge jede Menge wohlfeile Tipps: Hirschtalg! Seidenstrümpfe unter die Wollsocken! Pflaster schon vor der ersten Rötung! Gründlicher einlaufen! Alles ausprobiert, stets floss Blut.

Heute sind Wanderstiefel so schwer wie falsche Wimpern. Goretex. Mikrofaser. Fußfederbett. Silikon. Man kauft sich ein Paar neue Stiefel, geht 30 Kilometer und fühlt sich wie nach einer Fußzonenreflexmassage. Dafür ist der Wanderstiefel zur Outdoor-Bekleidung mutiert. Der metrosexuelle Mann trägt ihn im Café, latte macchiato schlürfend und WLAN-aktiv. Er signalisiert damit: Baby, für dich und unser Ungeborenes gehe ich im Falle einer Hungersnot in den Wald und erwürge ein Reh! Ich werfe das Wild auf die Ladefläche meines Porsche Cayenne und mache uns lecker Carpaccio nach einem Rezept von Alfons Schuhbeck!

Auch ich trage längst diese High-Tech- Treter und weiß seitdem: Fußsohlen können lächeln.

Bisher erschienen: Rucksack (12. 7.), Taschenmesser (15. 7.), Sonnenbrille (18. 7.), Bauchtäschchen (20. 7.), Sonnenhut (23 7.), Kompass (26. 7.), Adapter (28. 7.), Sprizz (2. 8.), Havaianas (6. 8.), Gewürzrevolver (9. 8.) und Badehose (14. 8.). Als nächstes: der Kulturbeutel.

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