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Kultur: Nick Hornby: Der Terror der Tugend

Jeder kennt die Begeisterung, mit der sich Leute, denen der gleiche Film gefällt, über die besten Szenen und Sprüche ihrer Leinwandhelden austauschen. Bei Büchern geht es ganz ähnlich zu, nur scheint die jeweilige Fangemeinde hier häufiger noch geschlechterspezifisch definiert.

Jeder kennt die Begeisterung, mit der sich Leute, denen der gleiche Film gefällt, über die besten Szenen und Sprüche ihrer Leinwandhelden austauschen. Bei Büchern geht es ganz ähnlich zu, nur scheint die jeweilige Fangemeinde hier häufiger noch geschlechterspezifisch definiert. Das galt zumindest bisher für die eingeschworene Bruderschaft der Hornby-Leser. Der Brite, der mit seinen Fortsetzungs-Erfolgsromanen "Fever Pitch", "High Fidelity" und zuletzt "About A Boy" auch hier zu Lande zum Kultbuchautor avancierte, erzählt tief aus dem Innenleben jener Nach-68er-Generation, die in den Zeiten des Flower-Power lange Haare und Schlaghosen trug und von Peter Framptons "Baby I love your way" nicht genug bekommen konnte.

Seine Bestseller schrieb er bislang allerdings nur aus männlicher, höchst subjektiver Perspektive: Fussballfanatiker, Musikabhängige oder Ersatzväter in den Mittdreißigern, das waren seine Kindskopf-Helden, die mit dem Autor älter wurden.

Und jetzt das: eine Frau! In seinem neuen Roman "How to be Good" schildert Nick Hornby plötzlich aus fremdgeschlechtlicher Sicht, wie es sich anfühlt, wenn man mit 40 in die Midlife Crisis kommt: "Zwei Menschen verlieben sich, bekommen Kinder, fangen an zu streiten, werden fett und übellaunig (David) oder gelangweilt, verzweifelt und übellaunig (Katie)." Der Gedanke an Trennung ist unumgänglich. Der klassische Scheidungsroman ebenso. Und damit scheint dem Autor endlich auch ein fester Platz in jeder Frauenbuchabteilung garantiert. Stellenweise beschleicht einen beim Lesen dazu das Gefühl, als wolle der frisch geschiedene Schriftsteller sich selbst ein bisschen was vom Herzen schreiben - nur dieses Mal lieber verkleidet mit Pumps und Handtäschchen.

Für einen neuen Bestseller ist das ein cleverer und witziger Ansatz. Und tatsächlich gibt sich der Autor verblüffend gut als diese Katie Carr, Ärztin (also automatisch Gutmensch) und Mutter zweier Kinder, die sich nach 24 Jahren von ihrem Gatten zu trennen gedenkt. Ehemann David, gescheiterter Schriftsteller und als Lokalkolumnist namens "Der Zornigste Mann von Holloway" stadtbekannt, kümmert sich um Haushalt und Kinder. Aus den Szenen ihrer Ehe ließe sich nach all den Jahren nicht einmal ein schlechter Film drehen, denkt sie. Als klassische Hornby-Protagonistin reflektiert Katie ihr Handeln permanent selbstkritisch, kommentiert sich und ihre Umwelt in inneren Monologen und Endlos-Gedankenschleifen. Hier liest sich "die Hornby" scharfsinnig, pointiert und erfrischend sarkastisch.

Nur David, der Berufszyniker, hat dabei nichts zu lachen. Er will seine Ehe retten und wandelt sich, bekehrt von einem Wunderheiler namens DJGoodNews, über Nacht zum bedingungslosen Gutmenschen. Aus "Mr. Angry" wird der Messias von NordLondon: Erst verschenkt er Geld und Sonntagsbraten an Bettler und spendet den Computer seiner Kinder einem Heim für misshandelte Frauen, später startet er ein großflächig angelegtes Obdachlosenprogramm in der Nachbarschaft.

Für Katie ist das alles längst zu viel des Guten. Und auch für den tugendhaftesten Leser. Mit zunehmender Seitenzahl wird die "How to Be Good"-Frage dermaßen auf die Spitze getrieben, dass es nur noch nervt, und man der armen Katie, die nur noch auf den Trümmern ihres liberalen Wertesystems kniet, am liebsten ins Gesicht schreien würde: "Schon gut! Nein, du bist kein schlechter Mensch!"

Früher, als sich das labile (Liebes-)Leben noch in den Begriffen einer Plattensammlung fassen ließ, schien der Alltag für Hornby-Helden und -Leser entspannter. Diesmal erstickt die Ironie im pathetischen Überbau. Die tugendhaftesten Menschen sind eben nicht immer die besten Schreiber.

Pamela Jahn

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