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Der Neubau des NS-Dokumentationszentrums in München (rechts) neben dem ehemaligen "Führerbau".

© dpa

NS-Dokumentationszentrum in München: Eröffnung mit Neonazi-Demo

Das NS-Dokumentationszentrum in München ist nach jahrelangen Verzögerungen endlich eröffnet worden. Der Festakt am Donnerstag wurde jedoch von einer Gerichtsentscheidung überschattet, die eine Neonazi-Demo unweit des Zentrums gestattete.

Mit einem Festakt ist am Donnerstag in München das neue NS-Dokumentationszentrum eröffnet worden. Der bayerische
Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) würdigte es als neuen Raum der Erinnerung. Am ehemaligen Standort der Parteizentrale der
Nationalsozialisten „rufen wir die dunkelsten Kapitel deutscher Geschichte ins Gedächtnis“, sagte Seehofer am Donnerstag bei der
Einweihung der neuen Erinnerungs- und Gedenkstätte. Er reagierte wie andere Festredner auch mit Unverständnis auf die Entscheidung
des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes (BayVGH), der eine Demonstration von Neonazis in Sichtweite des neuen Zentrums erlaubt
hatte.

Er sei ein „großer Anhänger der Unabhängigkeit der Gerichte“ und auch der Gewaltenteilung, sagte Bayerns Ministerpräsident. Er habe sich aber gewünscht, „dass die Entscheidung der Landeshauptstadt München auch von der Justiz akzeptiert wird“. Die Hoffnung sei mit der Gerichtsentscheidung zerstört worden, betonte er beim Festakt im Amerika-Haus unweit des neuen NS-Dokumentationszentrums.

Seehofer unterstrich, die Verbrechen der Nationalsozialisten erfüllten „uns Deutsche mit Scham“. Man nehme die Verantwortung aus der Vergangenheit sehr ernst. „Wir verdrängen nicht, wir halten die Erinnerung wach und arbeiten für eine wehrhafte Demokratie auch in der Zukunft“, betonte der Ministerpräsident.

Romani Rose erinnerte an die Rolle der Kirchen in der NS-Zeit

Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) sagte, wie keine andere deutsche Stadt sei die bayerische Landeshauptstadt mit dem Aufstieg des Nationalsozialismus mit seinem Verfolgungs- und Unterdrückungsapparat verbunden. „Wenn die da draußen das Dokumentationszentrum infrage stellen, geben sie uns hier und heute den besten Grund dafür, es zu eröffnen“, sagte Reiter mit Blick auf die Neonazi-Demonstration. Antisemitismus und rechtspopulistische Stimmungsmache hätten in München keinen Platz.

Der Vorsitzende des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, Romani Rose, und die Präsidentinder Israelitischen Kultusgemeinde München, Charlotte Knobloch, beim Rundgang durch das neue NS-Dokumentationszentrum in München, das ab dem heutigen Freitag fürs Publikum geöffnet ist.
Der Vorsitzende des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, Romani Rose, und die Präsidentinder Israelitischen Kultusgemeinde München, Charlotte Knobloch, beim Rundgang durch das neue NS-Dokumentationszentrum in München, das ab dem heutigen Freitag fürs Publikum geöffnet ist.

© dpa

Die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Charlotte Knobloch, äußerte die Hoffnung, dass das
Dokumentationszentrum einen Beitrag dazu leisten könne, „dass sich Menschen als Menschen begegnen“. Niemals werde sie vergessen,
„wie Ausgrenzung sich anfühlt“, sagte die frühere Präsidentin des Zentralrates der Juden in Deutschland, die 1932 in München geboren
wurde und die NS-Zeit bei einer katholischen Familie versteckt überlebte.

Romani Rose, Vorsitzender des Zentralrates Deutscher Sinti und Roma, erinnerte auch an die Rolle der Kirchen während des NS-Terrors. Sie hätten sich „den Mördern nicht entschieden genug widersetzt, obwohl sie genaue Kenntnis von der Dimension der Vernichtung hatten“, sagte er. So habe der Erzbischof von München und Freising, Michael Kardinal von Faulhaber, seinem Vater einen Besuch in der Münchner Residenz verweigert und daraufhin in sein Tagebuch geschrieben: „Nein, kann keine Hilfe in Aussicht stellen.“ Diese Satz erscheine ihm „wie ein Sinnbild für das moralische Versagen der damaligen Kirchenführer“, sagte Rose.

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hatte am Donnerstag in einer Eilentscheidung die von der neonazistischen Partei „Die Rechte“ angemeldete Demo gegen die Eröffnung des Zentrums genehmigt. Die Stadt München hatte versucht, den Aufmarsch zu verbieten, und damit in erster Instanz auch Recht bekommen.

Die Entscheidung des Gerichts war gegen 13 Uhr bekannt geworden, es hatte den Neonazis zwischen 15 und 19 Uhr eine Demo in
Sichtweite des NS-Dokumentationszentrums zugestanden. Der Polizei zufolge erschienen zehn Neonazis zur Kundgebung, ihnen standen
zeitweise mehr als 150 lautstarke Gegendemonstranten gegenüber. Das NS-Dokumentationszentrum ist ab dem heutigen Freitag für das Publikum geöffnet - in den ersten drei Monaten ist der Eintritt kostenlos. Die Baukosten von 28,2 Millionen Euro haben sich der Bund, der Freistaat Bayern und die Landeshauptstadt München zu je einem Drittel geteilt. Der
Entwurf für den Bau stammt von den Berliner Architekten Bettina Georg, Tobias Scheel und Simon Wetzel. epd

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