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Kultur: Nur eine Rose Zum Tod der Dichterin Hilde Domin

Über ihr „Lied zur Ermutigung“ hat Hilde Domin einmal gesagt, dass in ihm „etwas zugleich besonders Helles und besonders Verzweifeltes“ verborgen sei. Dieser Widerstreit zwischen den Mächten der finsteren Verzweiflung und des Lichts wird in fast allen Texten ihres lyrischen Werks ausgefochten – am Ende siegt meist die Helligkeit und ein heilsgewisses „Dennoch“.

Über ihr „Lied zur Ermutigung“ hat Hilde Domin einmal gesagt, dass in ihm „etwas zugleich besonders Helles und besonders Verzweifeltes“ verborgen sei. Dieser Widerstreit zwischen den Mächten der finsteren Verzweiflung und des Lichts wird in fast allen Texten ihres lyrischen Werks ausgefochten – am Ende siegt meist die Helligkeit und ein heilsgewisses „Dennoch“. Hilde Domins poetisches Zauberwort, das ihr seit ihren ersten Gedichten diesen Weg in lyrische Helligkeit wies, heißt „Vertrauen, dieses schwerste/ABC.“ Mit dem Durchbuchstabieren dieses Vertrauens begann 1957 eine beispiellose poetische Erfolgsgeschichte, die Hilde Domin in den Sechzigerjahren zur gefragtesten Poetin der Bundesrepublik aufsteigen ließ.

Am 27. Juli 1909 als Tochter eines jüdischen Rechtsanwalts in Köln geboren, hatte Hilde Domin schon früh die Erfahrung des Ausgestoßen- und Vertriebenwerdens durchleiden müssen. Für die junge Philosophiestudentin und ihre Familie war die Welt der Kindheit jäh untergegangen, als antisemitische Sturmtrupps Anfang der dreißiger Jahre durch Deutschland zogen. Der Vater floh mit der Mutter über die belgische Grenze, nachdem man jüdische Rechtsanwälte unter höhnischem Beifall einer fanatisierten Menge auf Lastwagen durch die Straßen Kölns gefahren hatte. Hilde Domin selbst verließ schon 1932 mit ihrem späteren Mann, dem Kulturhistoriker und Romanisten Erwin Walter Palm, ihren Studienort Heidelberg und gelangte über Zwischenstationen in England in die Dominikanische Republik.

Von 1940 bis 1954 lebte sie mit Palm in Santo Domingo und war dort als Mitarbeiterin ihres Mannes, als Übersetzerin und Architekturfotografin tätig. Als sich die Übersetzerin Hilde Palm, geborene Löwenstein, Anfang der Fünfzigerjahre in die Dichterin Hilde Domin verwandelte, war das zuallererst eine poetische Reminiszenz an den Ort ihrer karibischen Zuflucht.

Ihr dichterisches Initiationserlebnis als Übersetzerin fiel in das Jahr 1951. Abgeschnitten vom lebendigen Kontakt mit ihrer Muttersprache, übersetzte sie ihre ersten eigenen Gedichte ins Spanische, um sie wenigstens einem kleinen Kreis von exilierten Freunden und Einheimischen vorstellen zu können. Ihr nomadisches Dasein, das sie später als „linguistische Odyssee“ beschrieb, ging erst 1961 zu Ende, als sie „auf einem Umweg über den halben Globus“ mit Erwin Walter Palm nach Heidelberg zurückkehrte. Zu diesem Zeitpunkt trieb ihre dichterische Karriere in Deutschland schon einem ersten Höhepunkt zu, da 1957 in den „Akzenten“ und der „Neuen Rundschau“ ihre ersten Gedichte erschienen waren und begeistert aufgenommen wurden.

Der junge Literaturkritiker Walter Jens hatte ihren Debütband „Nur eine Rose als Stütze“ (1959) als die Kunst der „Vollkommenheit im Einfachen“ begrüßt und damit ihren singulären Rang in der Lyrik-Szene dieser Jahre behauptet. Lyrische Klarheit und „stille Renitenz“ (Karl Krolow) zeichneten auch die Folgebände „Rückkehr der Schiffe“ (1962), „Hier“ (1964) und „Ich will dich“ (1970) aus, die Hilde Domin endgültig zur Lesebuchautorin erhoben.

Der anhaltende Erfolg beim Publikum verdankte sich nicht nur der eingängigen Metaphorik ihrer Texte, sondern auch dem Grundgestus der Zuversicht, mit dem sie sich scharf von der radikalen Negativität ihres Schicksalsgefährten Paul Celan abgrenzte.

Für beide, Domin wie Celan, markierten ja die Erfahrungen von Expatriierung und Sprachverlust die elementaren Schicksalsdaten ihrer Existenz. Während Celans Sprache hindurchgehen musste „durch furchtbares Verstummen und tausend Finsternisse todbringender Rede“, reklamierte Hilde Domin die Sprache und das lyrische Wort als heile Gegenwelt. Mit idyllischen Emphasen, die völlig unberührt bleiben von den Erfahrungen der Sprachkrise, baute Hilde Domin an ihrem Refugium der Poesie. Als sie das neunzigste Lebensjahr schon weit überschritten hatte, beschied sie die Besucher einer Lesung mit dem lakonischen Hinweis, sie benötige keine Gehhilfen, um auf ihrem Weg des Sprachvertrauens fortzuschreiten.

Hilde Domin ist im Alter von 96 Jahren in der Nacht zum Donnerstag in Heidelberg gestorben.

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