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Kultur: Ohne Color

„Vom Winde verweht“ in der Berliner Villa Elisabeth

Mit weißem Cowboyhut, gezierten Posen und süßlich geschminkten Gesicht räkelt sie sich auf einem Sofa und verspeist formvollendet ein Stück Torte: „Eine Dame erkennt man daran, dass sie vor der Gesellschaft isst wie ein Vögelchen“, kommentiert eine freundliche Sklavin die Manieren der Torten-Esserin. Das Borer-Fielding-Double schaufelt ungerührt weitere Sahnestückchen in sich hinein und lächelt aufs anmutigste. Nach und nach füllt sich der Raum, Herren in Schlaghosen, Damen in gold- und rüschenbesetzten Reifröcken lagern sich dekorativ auf den Boden. Man spricht vom aufziehenden Krieg und macht einander gespreizte Liebeserklärungen, man langweilt sich stilvoll, trinkt Brandy und führt seinen Dünkel spazieren. Nur ein großgewachsener Mensch gibt den Zyniker und träufelt ein wenig Spott in die feierlichen Beschwörungen eigener Größe. Wir befinden uns in einer Südstaaten-Villa, kurz vor Ausbruch des amerikanischen Bürgerkrieges im vorletzten Jahrhundert, und das Borer-Fielding-Double soll niemand anderes sein als Scarlett O’Hara, die Southern belle und Femme fatale, die Göttin der falschen, großen Gefühle.

Die beiden Regisseurinnen Daniela Kranz und Jenke Nordalm haben in der Villa Elisabeth, einem prächtig heruntergekommenen Gründerzeitbau in der Invalidenstraße, ein Remake von Victor Flemings Schmacht-Klassiker „Vom Winde verweht“ inszeniert. Bedauerlicherweise verrutschen ihrem Darsteller des Rhett Butler (Frank Riede) die coolen Posen immer wieder ins unfreiwillig Lächerliche, so dass auch sein Oberlippenbärtchen den Gesichtszügen nichts Markantes zu verleihen vermag: Der Zyniker als Boulevard-Strizzi, der Cowboy als Hanswurst, der Verführer als Tölpel.

Wer also ein Unikat des Kalibers Clark Gable nachmacht, imitiert oder fälscht, wird mit Pomadenhaftigkeit und Schmock-Appeal nicht unter der Schmerzgrenze bestraft. Auch die anderen Darsteller kommen über Rum-Steh-Theater, Leidenschafts-Imitation und gezierte Bastelarbeiten nicht wesentlich hinaus. Nur Ute Baggeröhr gibt ihrer Scarlett gelegentlich etwas lässige Grandezza und anzügliche Komik. Die Filmkritikerin Daniela Sannwald hat über Flemings „Gone with the Wind“ den schönen Satz geschrieben, das sei „vor allem ein Film in Technicolor“. Seine Figuren und Konflikte sind durch eine so kraftvolle wie präzise charakterisierende Farbdramaturgie überhöht. Die Theaterinszenierung betreibt genau das Gegenteil: Sie lässt alles ein wenig blass wirken, die Figuren und ihre Gefühlsabenteuer, die feine Gesellschaft des Südens und ihre Agonie. Du hast den Farbfilm vergessen, will man dieser Inszenierung zurufen, die am theatralischen Pathos des Films schmarotzt, ohne ihm etwas eigenes hinzu- oder entgegensetzen zu können. Peter Laudenbach

Wieder am 3., 4., 8.- 11. August, jeweils um 21 Uhr, Invalidenstraße 3

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