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Kultur: Olympia 2008: Sieben Jahre bis zur Ewigkeit. Die Peking-Befürworter hoffen, dass sich bis 2008 die Lage der Menschenrechte verbessert

Noch nie hatte eine Olympiastadt so viele Widersacher. Exildemokraten und Menschenrechtler demonstrieren in Moskau vor der IOC-Tagungshalle gegen Pekings Bewerbung um die Spiele 2008.

Noch nie hatte eine Olympiastadt so viele Widersacher. Exildemokraten und Menschenrechtler demonstrieren in Moskau vor der IOC-Tagungshalle gegen Pekings Bewerbung um die Spiele 2008. Junge Exiltibeter campieren vor Chinas Botschaften. In Washington debattierte der Kongress über die chinesische Kandidatur. Nicht dass die Amerikaner in dieser Sache etwas zu entscheiden hätten. Aber die Frage bewegt die Gemüter. Darf ein Regime wie Peking, dass die Grundrechte der Menschen missachtet, das große Sportfest der Nationen ausrichten?

Um Sport geht es nur in zweiter Linie, wenn sich die mehr als 100 IOC-Delegierten heute zur Abstimmung versammeln. Niemanden interessiert, ob in Toronto oder Paris die Sporthallen besser ausgerüstet sind, oder welche Stadt das geschmackvollste olympische Dorf aufweisen kann. Es wird eine Abstimmung für oder gegen Peking. Und mehr noch: für oder gegen China. 1993 hatte sich Peking schon einmal für die Spiele 2000 beworben und war mit zwei Stimmen knapp Sydney unterlegen. Wegen der Politik.

China ist ein mächtiges, aufstrebendes Land - aber ungeliebt. Trotz der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Öffnung hat sich an der politischen Unterdrückung nichts verbessert. Tausende Bürgerrechtler sitzen in Arbeitslagern, weil sie sich für Demokratie einsetzten. Anhänger des friedlichen Falun-Gong-Kultes werden in staatlichen "Umerziehungslagern" misshandelt und in den Tod getrieben. Pekings Regime verdiene keine Olympiade, sagt der Exildemokrat Wei Jingsheng. Die Kritiker berufen sich auf die Charta des Internationalen Komitees (IOC). Grundlage der Olympischen Bewegung, heißt es dort, sei "der Respekt für die universalen und fundamentalen ethischen Prinzipien" und der "Aufbau einer friedlichen Gesellschaft zum Erhalt der Menschenwürde". Peking erfüllt keine dieser Kriterien.

Die Befürworter Pekings streiten nicht ab, dass die Menschenrechtsverletzungen gravierend sind. Sie setzen jedoch auf das Prinzip Hoffnung. Sieben Jahre sind es noch bis zu den Spielen - für ein Land wie China, an der Schwelle zur Moderne, eine Ewigkeit. Solange sie nicht offen gegen die KP opponieren, haben Chinesen heute mehr Freiheiten als jemals zuvor. Sie können Firmen gründen, sich Wohlstand aufbauen, durch das Internet surfen oder zum Studium ins Ausland gehen. Bis 2008 wird China sich weiterentwickelt haben, sagen die Optimisten. Olympia allein wird den Chinesen nicht mehr Freiheiten bringen. Sie könnte aber ein Signal geben, dass die Welt China eingliedern will.

Eine schwere Entscheidung. Wenn aber heute abgestimmt wird, dann geht es ohnehin um strategische Bündnisse der nationalen Olympischen Komittees, um Werbegelder und Sponsoren. Zuvor wurde geschachert und verhandelt. Realpolitik nennt man das. Mit ungewissem Ausgang.

Harald Maass

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