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Kultur: Oper im Kopf

Simon Rattle dirigiert Schönbergs „Gurrelieder“.

Schon als Elfjähriger hat Simon Rattle die „Gurrelieder“ für sich entdeckt. Weil er unbedingt die größte Partitur haben wollte, die man in der Liverpooler Musikbücherei leihen konnte. 1901, als Arnold Schönberg mit der Komposition dieses Monster-Oratoriums für 400 Mitwirkende begann, war er gerade 25 Jahre alt. Dänemark, im 12. Jahrhundert. König Waldemar liebt die schöne Tove, seine Gattin vergiftet das Mädchen, worauf der Herrscher Gott verflucht. Zur Strafe wird ihm die Totenruhe verwehrt, allnächtlich muss er mit einem Heer von Knochenmännern durch die Wälder jagen.

Aus der Faszination des jungen Rattle für das spätromantisch ausufernde Schönberg-Frühwerk wurde eine lebenslange Liebe. Mit der Sicherheit eines Bergführers kann Rattle darum seine maximal besetzten Philharmoniker sowie Profichöre aus Berlin, Leipzig, Köln und Norwegen durch die faszinierenden Klanglandschaften geleiten, hinauf zu gleißenden Fortissimo-Gipfeln, durch Täler, die erfüllt sind von rätselhaftem Raunen. Ganz aus der Tradition Wagners entwickelt er dabei die „Gurrelieder“, effektvoll musiktheatralisch, als Oper im Kopf.

Wie eine 1000-jährige Eiche ragt Stephen Goulds Waldemar inmitten des orchestralen Tosens empor, zart und verletzlich sind die Tove-Töne, die Soile Isokoski aus bebender Brust entlässt. Neben Thomas Quasthoff beeindruckt Karen Cargill als suggestive Erzählerin, Burkhard Ulrich ist ein scharfzüngiger Klaus-Narr, Lester Lynch ein Bauer mit Pracht-Bass. Großer Jubel. Frederik Hanssen

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