zum Hauptinhalt
Die Performer*innen von Tomi Paasonens Stück.

© Mayra Wallraff

„Pas de Q“ in den Sophiensälen: Choreograf Tomi Paasonen verbindet Ballett und Drag

Ballett, Kabarett, Burlesque und Ballroom: In „Pas de Q“ feiert sich die queere Community selbst. Das Stück ist eine lustige und lustvolle Extravaganza.

Von Sandra Luzina

Ein Traum in Tüll: Die vier anmutigen Geschöpfe, die zu lieblichen Klängen auf die Bühne der Sophiensaele trippeln kommen, tragen weiße Tüllröcke, die bis übers Knie reichen, und Spitzenschuhe, Tutu und Spitzenschuhe sind die Insignien der romantischen Ballerina.In „Pas de Q“ ist es nun ein queeres Quartett aus männlichen und nicht-binären Tänzer*innen, das sich diese femininen Attribute aneignet und mit ihnen spielt.

Ulkige Persiflagen berühmter Ballettstücke hat es schon gegeben – die New Yorker Company Les Ballets Trockadero de Monte Carlo ist ein Vorreiter der Cross-Gender-Bewegung im Tanz. Die Drag-Ballerinas mit Brusthaar und strammen Waden ertanzten sich rasch Kultstatus – nicht nur in der der schwulen Subkultur.

Weiße Tüllröcke bis übers Knie

Der finnische Choreograf Tomi Paasonen betritt also kein Neuland mit „Pas de Q“. Er macht aber gleich klar, das es ihm nicht um Parodie geht. Und auch die Tänzer:innen Kai Braithwaite, Leonardo Mancuso, Llewellyn Mgnuni und Joel Small, wollen den balletösen Schwebetraum beileibe nicht ins Lächerliche ziehen. Sie bringen auch die nötige Technik mit, ohne die Attitüden und Pirouetten gleich zum Slapstick gerieten.

Llewellyn Mgnuni aus Südafrika ist die perfekte Verkörperung einer genderfluiden Ballettelfe. Der Italiener Leonardo Mancuso betört durch seine elegante Linie. Kai Braithwaite aus New York, klein und muskulös, begeistert mit seinen Sprüngen. Und Joe Small aus Sidney ist mit seinen langen Beinen das Supermodel im Ballerinen-Quartett.

Tomi Paasonen will das klassische Ballett, das stark von tradierten Geschlechterrollen geprägt ist, aufmischen. Das hat auch mit seiner eigenen Geschichte zu tun. Er tanzte als Solist beim Hamburg Ballett, San Francisco Lines Contemporary Ballet und Joffrey Ballet in Chicago.

Nach einem schweren Unfall musste er 1997 seine Tänzerkarriere beenden. Paasonen wandet sich als Choreograf dem zeitgenössischen Tanz zu und experimentierte mit allen möglichen Formen und Körpern. Das Ballett aber lässt ihn nicht los. Im Dock 11 zeigte er im April schon die Etüde „Attitude“, In „Pas de Q“ verbindet er nun erneut Ballett und Drag.

Die vier Tänzer:innen verschwinden nicht hinter ihren Rollen. Paasonen lässt ihre Lebenserfahrungen in die Performance einfließen. Vom Band hört man ihre Erzählungen, die manchmal intimen Bekenntnissen gleichen. Es geht um die Faszination des Tanzens und das Leiden am heteronormativen Ballettbetrieb, um Liebe und gebrochene Herzen. Doch der Tanz mit dem Schleier passt manchmal nicht zu den (selbst-)kritischen Äußerungen.

Die vier Elfen verwandeln sich in strahlende Göttinnen

„Drag ist ein Türöffner“, sagt Joel Small, der sich als „Reflektra“ einen Namen. Und das Ballett ist hier eine Startrampe für die vier. Die romantische Ballerina verkörpert Unschuld und Reinheit. Die Drag-Ballerinen wollen nicht nur ihre Fantasien von Weiblichkeit verkörpern, sie wollen auch ihre Sinnlichkeit zum Ausdruck bringen.

In der Mitte des Graffiti-Bühnenbilds mit seinen wollüstigen Linien und Körperformen befindet sich ein Tor mit Phallussymbol. Ein Conférencier mit Glitzerfransen und starkem schottischen Akzent lädt ein zur Reise auf einen fernen Sexplaneten, auf dem ganz unterschiedliche Lebens- und Liebes-Formen gedeihen.

Die vier Elfen verwandeln sich zum Schluss in strahlende Göttinnen aus einer anderen Galaxie, Jede hat einen glamourösen Auftritt in Glitzerkostüm – und auch hier tanzen sie wieder auf Spitze. Aber nun ist kein Schweben angesagt, die Posen sind vom Voguing inspiriert. Auch Powackeln wie man es vom Twerking kennt ist zu sehen.

In „Pas de Q“ feiert die queere Community sich selbst. Alles wird hier munter durcheinandergewirbelt: Ballett, Kabarett, Burlesque und Ballroom. Das Resultat ist eine lustige und lustvolle Extravaganza. Tomi Paasonen treibt die queere Ästhetik in jeder Hinsicht auf die Spitze. Und die vier Drag-Ballerinen sind echte Granaten.

Zur Startseite