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PAUKEN & Trompeten: Alle Neune

Jörg Königsdorf reist mit Monteverdi nach Venedig

Wenn in der Klassik von der „großen Neun“ die Rede ist, wird Claudio Monteverdi meist vergessen. Dabei sind die neun Madrigalbücher, die der Italiener hinterließ, für die Musikgeschichte ebenso wichtig wie die neun Sinfonien Beethovens, Mahlers und Bruckners: jedes der Bücher markiert ein Stück musikalisches Neuland, wie ein Brücke mit neun Pfeilern spannt sich die Reihe von spätmanieristischer Vokalpolyfonie bis zum barocken Minidrama. Dieser einzigartige Entwicklungssprung ist nirgendwo besser zu erleben als auf der CD, mit der das Ensemble La Venexiana gerade seine Gesamteinspielung der Monteverdi-Neun abgeschlossen hat: Die Venexianer koppeln das erste, 1587 erschienene Madrigalbuch des 20-Jährigen mit dem letzten, 1651 posthum veröffentlichten. Gerade diese Gegenüberstellung macht die ungemein fantasievolle, bildhafte Textausdeutung als Konstante in Monteverdis Schaffen deutlich. Das funktioniert natürlich nur, weil die Sänger diese Musik nicht als starre Kunstmonumente, sondern ganz aus dem Geist zwangloser Konversation begreifen. So spontan und frisch klingt Alte Musik nur selten. Wer die Venexianer bei den Potsdamer Musikfestspielen erleben will, muss allerdings auf gut Glück zum Potsdamer Schlosstheater fahren – offiziell ist das szenische Best-of-Monteverdi-Konzert der Truppe am Samstag längst ausverkauft. Dass es in diesem Jahr besonders schwer ist, für Konzerte der Musikfestspiele noch an Karten zu kommen, liegt sicher einerseits am zugkräftigen Generalthema „Venedig“. Zum anderen wissen inzwischen alle, die sich für alte Musik interessieren, dass Festspielchefin Andrea Palent nicht nur für kluge Programme bürgt, sondern auch immer wieder die Stars der Szene nach Potsdam holt. Der Venedig-Schwerpunkt ist eine Leistungsschau der italienischen AlteMusik-Szene, die in den letzten fünfzehn Jahren eine erstaunliche Dynamik entwickelt hat. Zum Thema Monteverdi beispielsweise bietet Palent nicht nur die Venexianer, sondern am 18. Juni auch deren schärfste Konkurrenten, das Concerto Italiano unter Rinaldo Alessandrini auf. Und für Antonio Vivaldi treten unter anderem der fabelhafte Geiger Fabio Biondi mit seinem Europa Galante (am 21.6.) und im Eröffnungskonzert der Newcomer Federico Maria Sardelli an. Sardelli ist mit seinem Ensemble Modo Antiquo derzeit der erfolgreichste Schatzgräber in Sachen venezianischer Barockmusik: Am Freitag präsentiert er in der Friedenskirche neben bekannteren VivaldiWerken seinen jüngsten Fund: Ein Oratorium des weitgehend unbekannten Vivaldi-Zeitgenossen Girolamo Venier.

Jörg Königsdorf

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