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PAUKEN & Trompeten: Alte Schlachtrösser

Das Publikum liebt sie heiß und innig, doch für die Musiker sind die großen Konzerte der Romantik zu einem immer größeren Problem geworden. Während die Geiger, Cellisten und Pianisten der Generation dreißig plus sich bei Britten, Schostakowitsch und Prokofjew pudelwohl fühlen und die Assimilation der historischen Aufführungspraxis vielen von ihnen einen frischen Zugang zu Bach und Mozart eröffnet hat, scheint das 19.

Das Publikum liebt sie heiß und innig, doch für die Musiker sind die großen Konzerte der Romantik zu einem immer größeren Problem geworden. Während die Geiger, Cellisten und Pianisten der Generation dreißig plus sich bei Britten, Schostakowitsch und Prokofjew pudelwohl fühlen und die Assimilation der historischen Aufführungspraxis vielen von ihnen einen frischen Zugang zu Bach und Mozart eröffnet hat, scheint das 19. Jahrhundert mit seinen großen Tönen und starken Gefühlen ferner denn je.

Wo wäre denn zum Beispiel der Musiker, dem in den letzten 25 Jahren eine bahnbrechende Aufnahme eines Tschaikowsky-Konzerts gelungen wäre? Der Pianist, der sich bei den Konzerten Schumanns und Chopins mit den klassischen Einspielungen von Cortot bis Rubinstein messen könnte? Gegen deren Originalität und künstlerische Libertinage wirken die gehypten Jungvirtuosen des 21. Jahrhunderts oft nur wie brave Kunsthandwerker, deren Aufnahmen niemand auseinanderhalten könnte. Bei den Pianisten scheint derzeit Lang Lang fast der einzige, der für die großen romantischen Schlachtrösser genügend Charisma und Eigenwilligkeit aufbringt – selbst originelle Musiker wie Fazil Say bleiben in diesem Repertoire erstaunlich blass.

Woran das liegt? Sicher an der Last der großen Vorbilder, die die Virtuosenkonzerte so sehr ausgehorcht haben, dass einen neue eigene Meinung kaum mehr möglich ist. Andererseits aber vielleicht auch daran, dass das große Pathos, das man neben gestalterischer Intelligenz für diese Musik nun mal braucht, eine Geisteshaltung ist, zu der ein modern denkender Mensch heute nur noch schwer findet – während das Gebrochene, Disparate der klassischen Moderne viel unmittelbarer verständlich zu sein scheint.

Trotzdem müssen natürlich alle Geiger das Brahms-Konzert spielen – am Montag ist im Konzerthaus Joshua Bell an der Reihe –, während die Pianisten ihren Rachmaninow und Tschaikowsky am laufenden Meter liefern: Am Dienstag ist etwa Nachwuchsstar Nikolai Tokarew, ebenfalls im Konzerthaus, mit Rach Zwei zu hören, während am Donnerstag Alexander Ghindin am gleichen Ort Tschaikowsky Eins donnern wird. Je nun.

Jörg Königsdorf

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