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PAUKEN & Trompeten: Aus der Ode wird die Hymne

Jörg Königsdorf startet von der Neunten ins Messiaen-Jahr

Ausruhen dürfen die anderen: Für Berlins Staatskapelle beginnt das neue Jahr genauso, wie das alte aufhört – mit Arbeit. Kaum haben die Musiker ihren üblichen Jahresendbrocken mit Beethovens Neunter zu Silvester und Neujahr inklusive Silvesterball gestemmt, müssen sie sich tags darauf schon wieder zur Probe für ihr nächstes Abonnementskonzert einfinden. Mit der abendfüllenden „Turangalila“-Sinfonie läuten sie mit Zubin Mehta am Freitag in der Philharmonie (und am Samstag im Konzerthaus) das Messiaen-Jahr ein, knapp vor Ingo Metzmacher und seinem Deutschen Symphonie-Orchester, die das berühmteste Orchesterwerk des 1908 geborenen Franzosen dann am 6. und 7. Januar aufs Programm gesetzt haben.

Die Idee, Messiaens Werk quasi als Fortsetzung der Neunten zu spielen, ist in der Tat verlockend: Wo Beethoven mit seiner „Ode an die Freude“ schließt, schreibt Messiaen gleich seine ganze Sinfonie als „Hymne an die Freude“, ein „Liebesgesang“, von „Seid umschlungen, Millionen“ zur „unwiderstehlichen Liebe, die alles übersteigt, überrennt“ (Messiaen), ist’s nur ein kleiner Schritt. Im Gegensatz zu Beethovens fast ebenso langer Neunter, die die Staatskapelle inzwischen vermutlich im Schlaf spielen kann, bedeutet „Turangalila“ (ein Titel, der außer dem Wohlklang der Silben gar nichts bedeuten will) für die Musiker freilich eine echte Herausforderung: Messiaen ist für das Opernorchester, das mit seinem Mahler-Zyklus gerade erst sein Konzertexamen abgelegt hat, stilistisches Neuland.

Allerdings liegt gerade im weichen, gedeckten Wagner-Sound der Staatskapelle die Chance, Messiaens Liebessinfonie eine zusätzliche Tiefendimension über französische Farbsinnlichkeit hinaus zu erschließen. Denn nicht nur zu Beethoven hat das Stück, das sich als Sinfonie ohnehin in eine deutsch dominierte Traditionslinie stellt, etliche Anknüpfungspunkte: Die Inspiration durch altindische Philosophie, aber auch der Bezug auf die Geschichte von Tristan und Isolde weisen von „Turangalila“ zurück auf Richard Wagner. Für den ekstatisch-eruptiven Klavierpart, den Messiaen einst für seine Frau Yvonne Loriod schrieb, hat die Staatskapelle übrigens mit dem Franzosen Roger Muraro den besten aller Messiaen-Pianisten verpflichtet. Damit die Liebe nicht nur deutsch, sondern auch ein bisschen französisch klingt.

Jörg Königsdorf

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