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PAUKEN & Trompeten: Jeder singt für sich allein

Ein bisschen mulmig wird einem schon, wenn man sich bei youtube das Video von Eric Whitacres „virtual choir“ anschaut. Denn die Sänger, die zum Dirigat des smarten Chorleiters dessen gut sechsminütiges Opus „Lux aurumque“ singen, sind die Horrorvision eines Chors: Jeder singt für sich allein, und statt einer Gemeinschaft sieht man nur ein Patchwork aus 185 Webcams.

Ein bisschen mulmig wird einem schon, wenn man sich bei youtube das Video von Eric Whitacres „virtual choir“ anschaut. Denn die Sänger, die zum Dirigat des smarten Chorleiters dessen gut sechsminütiges Opus „Lux aurumque“ singen, sind die Horrorvision eines Chors: Jeder singt für sich allein, und statt einer Gemeinschaft sieht man nur ein Patchwork aus 185 Webcams. Zwar sind alle offenbar mit Hingabe bei der Sache, aber dennoch wirkt dieses synthetische Miteinander deprimierend: Als ob da 185 einsame Menschen um Hilfe rufen und sich nur im stillen Kämmerlein trauen, ihre Gefühle zu zeigen. Wenn die Zukunft des Chorgesangs so aussehen sollte, wäre das ziemlich trostlos. Wahrscheinlich hatte sich Whitacre die Sache allerdings eher als Marketing-Gag gedacht und diese Funktion hat das Video bestens erfüllt: Anderthalb Millionen Menschen haben sich den Clip inzwischen angeschaut, er selbst reist mittlerweile als Chorleiter rund um die Welt und hat auch schon seine erste CD mit eigenen Werken (natürlich auch mit „Lux aurumque“) für den Branchenriesen Universal produziert. Auch beim traditionellen Weihnachtskonzert des Rundfunkchors am Mittwoch hat Whitacre eigene Werke dabei, und seine honigsüßen Harmonien dürften in der halligen Akustik des Berliner Doms für akustisches Wohlfühlklima sorgen. Mitte Januar kommt er übrigens noch einmal in die Stadt, zum Festival chor@berlin.

Inzwischen haben ja auch die Klassikinterpreten längst gelernt, ihre Konzertaktivitäten und ihre Albumveröffentlichungen zu harmonisieren – wer den Künstler gerade im Konzert erlebt hat, kauft anschließend oft gern noch die CD und lässt sie sich signieren. Auch bei Nils Mönkemeyers Auftritt im Potsdamer Nikolaisaal werden sicher schon Stapel des brandneuen Albums „La Folia“ bereitliegen, das „Deutschlands Bratschenwunder“ gerade mit der Kammerakademie aufgenommen hat. Hier wie dort spielt Mönkemeyer nicht nur ein hübsches Violakonzert von Telemann, sondern auch seine eigene Transkription von Bachs d-moll-Cembalokonzert, dessen dramatische Gangart erstaunlich gut mit dem herben Bratschenton harmoniert.

Jörg Königsdorf

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