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Kultur: paul

Die Verbindung von Pop und Politik ist eine heikle, zum einen weil Pop schon seit längerem nicht mehr per se gut, aufgeklärt und progressiv ist. Zum anderen weil die Politik gerade in Fragen der Inszenierung mehr und mehr zu Pop geworden ist (und dann oft auch nicht mehr viel zu bieten hat).

Die Verbindung von Pop und Politik ist eine heikle, zum einen weil Pop schon seit längerem nicht mehr per se gut, aufgeklärt und progressiv ist. Zum anderen weil die Politik gerade in Fragen der Inszenierung mehr und mehr zu Pop geworden ist (und dann oft auch nicht mehr viel zu bieten hat). Dass dazu auch die Popmusik gehört, einzelen Popstücke, die auf Wahlkampfveranstaltungen zum Einsatz kommen, versteht sich, und dann kann es schon mal zu schweren Missverständnissen kommen. Und hin und wieder auch zu einer Revolte von Popseite. So hat jetzt der Techno-DJ Paul van Dyk über seinen Anwalt der AfD eine Unterlassungserklärung zukommen lassen, mit der er der rechten Partei „jedwede unberechtigte Nutzung“ seines Stückes „Wir sind wir“ zu verbieten trachtet. Björn Höcke, der Fraktionsvorsitzende der AfD in Thüringen, hatte das Stück, das der Gothic-und-Düster-Pop-Musiker Peter Heppner (Wolfsheim, Goethes Erben, Schiller u.a.) singt und von van Dyk komponiert wurde, vergangenes Jahr bei den monatlichen AfD-Kundgebungen auf dem Erfurter Domplatz einspielen lassen, zuletzt auch im Januar dieses Jahres. Das klingt erst einmal sehr korrekt, dass Paul van Dyk sich gegen diese Art der Vereinnahmung durch eine ihm politisch nicht nahestehende Partei wehrt, es heißt er sei SPD-Anhänger. Überhaupt steht er mit seinem Songverbotsansinnen in einer langen Reihe von Popmusikern, die sich dagegen zur Wehr setzten, dass ihre Stücke auf Wahlkampfveranstaltungen gespielt werden. Helene Fischer verbot 2015 der NPD das Spielen ihres Superhits „Atemlos“ auf Wahlkampfveranstaltungen; die Toten Hosen protestierten 2013 gegen den gerade zu inflationären Einsatz ihres Stückes „Tage wie diese“ bei Auftritten von gleichermaßen CDU- wie SPD-Politikern; und auch in den USA schickte die Band Aerosmith dem Präsidentschaftskandidaten der Republikaner, Donald Trump, eine Unterlassungserklärung, weil Trump mit Aerosmiths „Dream On“ auf Stimmenfang ging; auch Adele und R.E.M. forderten Trump auf, ihre Songs „Rolling In The Deep“, „Skyfall“ (beide von Adele) und „It´s The End Of The World As we Know It“ (R.E.M.)nicht mehr auf Wahlkampfveranstaltungen zu spielen. Doch wem gehören solche Songs, wenn sie denn einmal in der Welt sind und überall gespielt werden? Wer kann sich gegen Vereinnahmungen von der falschen Seite schon wehren? „The Kids are not alright“ hieß der Aufsatz, den Diedrich Diederichsen Anfang der neunziger Jahre schrieb, nicht zuletzt als Reaktion auf die Hooligans, die mit Malcolm-X-Käppis und Public-Enemy- oder Dinosaur-jr.-T-Shirts Jagd in ostdeutschen Städten Jagd auf Migranten machten. Man muss daran jetzt denken, weil sich einfache Pop-Slogans und schmackende Rhythmen beliebig einsetzen und interpretieren lassen, etwa Springsteens „Born In The U.S.A.“, einer der wohl missverstandensten Popsongs der Musikgeschichte (auch von Republikanern immer wieder gern gesungen) oder Neil Youngs „Rockin’ In The Free World“ (wobei zumindest Neil Young gern mal Sympathien für Ronald Reagan bekundet hatte.) Und „Wir sind wir“, das passt auch immer. Allerdings heißt es in dem Stück unter anderem: „ Auferstanden aus Ruinen dachten wir/Wir hätten einen Traum vollbracht./40 Jahre zogen wir an einem Strang./Aus Asche haben wir Gold gemacht“. Und, eine Strophe weiter: „Jetzt ist mal wieder alles anders/Und was vorher war, ist heute nichts mehr wert..“ Das sind verschwiemelte, aber nicht ganz so kryptische Zeilen, da hätte sich Paul van Dyk eigentlich nicht so sehr drüber wundern müssen, dass diese gerade der AfD ganz gut ins Politkonzept passen.

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