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Kultur: Percy Grainger: Alles über seine Mutter

Wieder einer jener tendenziell peinlichen Versuche, das Innenleben eines musikalischen Genies auf die Leinwand zu bannen. Percy Grainger, australischer Komponist und Pianist, dessen große Zeit vor dem ersten Weltkrieg lag, hat - da er sein Vergessenwerden voraussah - jedes Detail seines Lebens dokumentiert und sich sogar ein Museum errichtet.

Wieder einer jener tendenziell peinlichen Versuche, das Innenleben eines musikalischen Genies auf die Leinwand zu bannen. Percy Grainger, australischer Komponist und Pianist, dessen große Zeit vor dem ersten Weltkrieg lag, hat - da er sein Vergessenwerden voraussah - jedes Detail seines Lebens dokumentiert und sich sogar ein Museum errichtet. Regisseur Peter Duncan stützte sich für seine Verfilmung auf Fakten, hat Stars wie Barbara Hershey verpflichtet und den Komponisten von David Roxburgh verkörpern lassen. Doch Roxburgh ist zu alt für seine Rolle - etwa so alt wie Barbara Hershey, die seine Mutter spielt. Er versucht, dieses Manko durch übertriebenen körperlichen Aktionismus zu kompensieren, was zu Krampf auf der Leinwand führt. Dieser Krampf wird noch durch absurde Dauerwelle und Blondierung Roxburghs vervollkommnet - die zwar eine angebliche stupende Ähnlichkeit zum Original erzeugt, jedoch pointenlos ist, denn: Wer kennt schon Percy Grainger?

Viele bunte Bilder aus einem Pianistenleben ziehen an uns vorbei, diverse amouröse Verwicklungen, deren Pointe darin liegt, dass Grainger zeitlebens in seine Mutter verliebt war. Seine Bedeutung als Komponist und Sammler britischer und skandinavischer Volkslieder - eine Berufung, zu der ihn Grieg animierte - zieht vorbei, ohne Eindruck zu hinterlassen. Von seiner sogenannten "Free Music" ist nichts zu hören.

Kein Wunder, denn Regisseur Duncan interessiert an Grainger etwas anderes als sein musikalisches Genie: das erotische Privatleben. Der Musiker erregte Aufsehen durch sein freimütiges Bekenntnis zur Peitsche als sexueller Stimulans: Peitschen seiner selbst und seiner Liebespartnerin. Dies war Zeit seine begabte, schöne Pianisten-Studentin Karen Holten, eindringlich verkörpert von Emily Woof. Sie zeigt hier die Dilemmata einer Frau, die Künstlerin werden will - in der damaligen Zeit für Frauen beinahe unmöglich - und einen Mann liebt, deren große Liebe seine Mutter ist. Jenes Paar, David Roxburgh / Barbara Hershey, wirkt hier jedoch statuarisch und lächerlich: tragisch für den Film, dass seine Hauptdarsteller weit weniger überzeugen als die zahlreichen Nebenfiguren.

Beinahe nichts vom Hauptinteresse des Films - künstlerische Exzentrik und psychosexuelle Störungen - wird verständlich. Wir beobachten schlecht gespieltes ausgefallenes Verhalten - das ist aber auf Dauer nicht abendfüllend. Dass die Liebe des Komponisten zu seiner Mutter und seine Liebe zum Peitschen zusammenhängen, dies immerhin verdeutlicht der Film gegen Ende - aber bis dahin hatte es ohnehin jeder aufmerksame Zuschauer geahnt. Und so ist wenigstens die altbekannte Einsicht neu erfasst, dass der biographische Preis für Hochbegabung oft höher ist, als die lebhafteste Phantasie zunächst ahnt.

Simone Mahrenholz

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