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Auch ein großer Musikkenner. Peter Hamm bei einer Laudatio auf Alfred Brendel.

© picture-alliance/ dpa / Rolf Haid

Peter Hamm 80: Anwalt des Unmöglichen

Dichter, Kritiker, Vermittler: Der Literaturenthusiast Peter Hamm wird 80 Jahre alt

Die Bücher öffneten ihm die Welt, als er noch in katholischen Internaten in Oberschwaben von rigiden Erziehern gepeinigt und „an Kirchenschiffe gekettet“ wurde. Peter Hamm, 1937 in München geboren, hatte früh seine Mutter verloren, der Vater schob ihn ab in ein Heim, der einzige Ausweg aus den Zwangssystemen blieb die Literatur. In einem Alter, in dem heute für viele das Smartphone die einzige Lesebühne ist, hatte er bereits eine erste Karriere als genialischer Lyriker absolviert. Als 19-Jähriger veröffentlichte Hamm, den viele nur als einflussreichen Literaturkritiker kennen, in den führenden Zeitschriften und Anthologien der Nachkriegszeit seine ersten Gedichte.

1954 debütierte er in den „Akzenten“ und profilierte sich in Walter Höllerers legendärer Anthologie „Transit“ (1956) und Wolfgang Weyrauchs „Expeditionen“ (1959) als wichtige Stimme der Jungen Lyrik. In Weingarten am Bodensee lernte er in den späten fünfziger Jahren die elf Jahre ältere Dolmetscherin und spätere Suhrkamp-Lektorin Elisabeth Borchers kennen, die er – so die Legende – zum Gedichteschreiben animierte. Eine intensive Freundschaft verband ihn auch mit der im schwedischen Exil lebenden Literaturnobelpreisträgerin Nelly Sachs, die sich von dem hochbegabten 20-Jährigen fasziniert zeigte. Nur wenige Jahre später vollzog Hamm einen spektakulären Positionswechsel. In seiner Lyrik-Anthologie „Aussichten“ spottete er 1966 über die unpolitische Poesiefrömmigkeit und forderte in marxistischer Diktion die „Wiederentdeckung der Wirklichkeit“ und die Reflexion der „Klassengesellschaft“.

„18 Jahre lang habe ich keine Gedichte mehr geschrieben“, so Peter Hamm später, „weil ich wie so viele im Wahn befangen war, dem verheerenden Zustand der Welt könne nur mit politischen Taten abgeholfen werden.“ Als dann 1982 und 1985 wieder zwei Gedichtbände von ihm im Hanser Verlag erschienen, war er bereits auf seinen Status als Großkritiker festgelegt. In anrührenden Porträtfilmen und bis heute unerreichten Essays widmete er sich seinen literarischen Hausheiligen Robert Walser, Ingeborg Bachmann, Peter Handke, Gunnar Ekelöf und Marina Zwetajewa.

„Zur Kunst des Unmöglichen bekenne ich mich“, zitiert Hamm den schwedischen Dichter und Mystiker Gunnar Ekelöf. In der literaturkritischen Erkundung dieser „Kunst des Unmöglichen“ hat Peter Hamm, der heute 80 Jahre alt wird, Großes geleistet.

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