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Kultur: Phantasie-Paradies

Die Besucher stehen vor verschlossenen Türen - und sind dennoch am Ziel.In Jaume Plensas "Wonderworld", dem letzten Raum unter dem Dach der Kestner Gesellschaft, versprechen 36 diffus schimmernde Türen den Zugang zu einer geheimnisvollen Welt.

Die Besucher stehen vor verschlossenen Türen - und sind dennoch am Ziel.In Jaume Plensas "Wonderworld", dem letzten Raum unter dem Dach der Kestner Gesellschaft, versprechen 36 diffus schimmernde Türen den Zugang zu einer geheimnisvollen Welt.Nur öffnen lassen sie sich nicht.Was sich dahinter verbirgt, mag man den Aufschriften entnehmen: Chocolate, Milk, Honey, Ice Cream.Ein wahres Schlaraffenland.Das Paradies jedoch erschließt sich nur der Phantasie.

Kein Wunder also, wenn der gebürtige Katalane Plensa den englischen Dichter William Blake zitiert, um sein bildhauerisches Konzept zu erläutern: "One thought fills immensity", ein Gedanke vermag die Unermeßlichkeit zu füllen.Geist und Raum gehen im Kunstkosmos des Jaume Plensa eine symbiotische Beziehung ein.

Besonders eindrucksvoll gelingt dies im zentralen Saal der Ausstellung, der an einen buddhistischen Meditationsraum erinnert.Fünf goldene Gongpaare hängen an roten Schnüren von der Decke, riesige Klöppel daneben, mit denen der Besucher sanft oder energisch zuschlagen darf.Ganz wie es ihm gefällt.Dann wird der Saal zum Klangraum, der den Besucher umfängt und schließlich von ihm Besitz ergreift.Spürbar schwingen die Töne im Körper nach.Den gigantischen Instrumenten hat Plensa jeweils Begriffe eingravieren lassen."Birth" und "Death", "Night" und "Day", "Air" und "Earth" sind die Pole, zwischen denen sich die vibrierenden Energiefelder entwickeln.

Ohne Kontraste und Widersprüche wäre das Werk des 43jährigen Spaniers nicht denkbar, die für Hannover entwickelte Arbeit "Love Sounds" zumal, die Licht und Schatten, innen und außen, Klang und Schweigen ganz ungewöhnlich erfahrbar macht.Während die Besucher im Dunkeln stehen, geht Licht von fünf geschlossenen Alabaster-Kammern aus, deren Wände transparent leuchten.Wer die Zellen betritt, hört seltsame Geräusche, mal im Stakkatorhythmus, mal säuselnd und zischend.Die Töne sind an verschiedenen Stellen in Plensas Körper aufgenommen, am Herzen zum Beispiel oder an der Leber, wo es besonders dramatisch lärmt.

Während hier das pralle Leben pulsiert, erinnert nebenan, im Saal vor dem Ausgang, ein Konzert mit sieben chinesischen Zymbeln an die verrinnende Zeit.Durch stetig fallende Tropfen werden zarte Töne ausgelöst, eine melancholische Wassermusik.Und weil man die nur vernehmen kann, wenn man mucksmäuschenstill am Platz verharrt, kommt das Publikum Plensas Idealzustand hier ganz nahe.Denn der Meister des Klangs, der gerne auch Bühnenräume für Opern schafft, ersehnt die Stille.Ein Paradox? Gewiß.Denn mehr als alles andere liebt Jaume Plensa den Widerspruch.

Kestner Gesellschaft Hannover, bis 7.März; Katalog 32 Mark.

KRISTINA TIEKE

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