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Kultur: Picasso kann warten

„United Nations Revisited“: Eine Ausstellung über die Menschenrechte in der Marzahner Galerie M.

Jeder Mensch hat ein Recht auf Leben, Freiheit und Sicherheit. So wollen es die Vereinten Nationen, so steht es in ihrer Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, doch statt Weltfriede herrschen bekanntlich Dauerkonflikte und Terror. In Ausstellungshallen dagegen haben Menschenrechte Konjunktur: in Brüssel und Mechelen, wo sie Ende 2012 Thema einer konzertierten Kunstschau waren, im Deutschen Historischen Museum, wo es die Charta zum Mitnehmen gab, und nun sogar in Marzahn.

Dort zeigt die kommunale Galerie M die Ausstellung „United Nations Revisited“, geplant und kuratiert von der Berliner Künstlerin Signe Theill. Sie hat Arbeiten zu Krieg, Flucht und Überleben zusammengetragen – insgesamt 15 zeitgenössische Künstler, darunter Alfredo Jaar, Khaled Jarrar und Marina Abramovic, die mit einem Foto von einer Performance im Belgrad nach dem Kosovokrieg vertreten ist.

Die Ausstellung passt zwar gut in den Einwandererbezirk Marzahn, aber sie führt weit über ihn hinaus. Sie handelt auch vom Status der Kunst bei den Vereinten Nationen. So tagt der UN-Sicherheitsrat vor einem monumentalen Wandbild des norwegischen Malers Per Krohg. Als Colin Powell in der UN-Zentrale für einen Krieg gegen den Irak plädierte, wurde die dortige Kopie von Picassos „Guernica“ verhüllt.

Krohgs Werk in buntem Nachkriegs-Aufbaupathos dient in Marzahn als Startpunkt. Der Berliner Künstler Alfred Banze ließ eine Kopie auf seinen Arbeitsreisen von Kunstkennern und Laien deuten und präsentiert nun auf Zetteln und Videos disparate Meinungen über die Uno. Dass deren Ansehen stark gelitten haben muss, erweist die retro-kubistische Bronzebüste von Goshka Macuga: Sie zeigt Powell als finsteren Rhetoriker.

Konventionell gruppiert finden sich um diese beiden zentralen Beiträge Filme, Drucke, Fotos und Installationen aus Ramallah, Oslo oder New York, die die Kluft zwischen Menschenrechten und Realität vermessen. Die Ausstellung gäbe über politischen Pessimismus in der Kunst einen trockenen Überblick, hingen da nicht auch Alfredo Jaars kleine Anzeigen, die der New Yorker Künstler 2012 in Berliner Tageszeitungen drucken ließ. Sie werben dafür, Henry Kissinger zu verhaften – eine Forderung von Menschenrechtlern, die dem ehemaligen US-Politiker vorwerfen, den Diktator Pinochet unterstützt zu haben.

Die Zeitungen, darunter der Tagesspiegel, druckten die Anzeigen am 11. September, dem Jahrestag der Al-Qaida-Anschläge auf die USA 2001, aber auch – inzwischen weniger bekannt – des Militärputsches in Chile 1973. So versinnbildlichte Jaar, wie Terror die Erinnerung an Terror verblassen lässt. Seine Arbeit wirkt nicht nur pessimistisch, sie schmerzt. Claudia Wahjudi

Galerie M, Marzahner Promenade 46; bis 4. August, So bis Fr 10 – 18 Uhr.

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