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Kultur: Polenz muss gehen: Der Unterschied zwischen General und Sekretär

Was für ein Typ soll so ein Generalsekretär eigentlich sein? Bereits ein Blick in die Statuten der Parteien gibt einen Hinweis.

Was für ein Typ soll so ein Generalsekretär eigentlich sein? Bereits ein Blick in die Statuten der Parteien gibt einen Hinweis. In Paragraph 37 des Statuts der CDU heißt es zum Beispiel: "Der Generalsekretär unterstützt den Vorsitzenden bei der Erfüllung seiner Aufgaben." Er koordiniert die Parteiarbeit, er managt die Wahlkämpfe. Noch stärker ist der "General", wie er gerne genannt wird, in der SPD. Franz Müntefering, der als erster in dieses Amt gewählt wurde, das die Sozialdemokraten bei sich erst auf ihrem Parteitag im Dezember 1999 einführten, "unterstützt" seinen Vorsitzenden Gerhard Schröder nicht nur. Ihm billigt das SPD-Statut sogar zu, dass er die Geschäfte der Partei "im Einvernehmen" mit dem Chef "führt". Ansonsten sieht es aus wie bei CDU und FDP: Parteiarbeit, Organisation und Wahlkämpfe sind seine Aufgaben.

Man sieht also. Nach dem Vorsitzenden sind Generalsekretäre die wichtigsten Menschen in einer Partei. Sie müssen organisieren können, Ideen entwickeln und vor allem gegen den politischen Gegner die eigenen Themen in die Öffentlichkeit bringen. Dazu gehört das Talent, in der politischen Debatte zuzuspitzen. Bei der SPD funktioniert die Arbeitsteilung. Gerhard Schröder, der Vorsitzende und Bundeskanzler, ist fürs Grundsätzliche zuständig. Müntefering, der Organisator, bringt die Partei auf Kurs. Und er greift gern den Gegner an. Nicht dass der Sozialdemokrat ein begnadeter Redner wäre wie zum Beispiel sein Gegenspieler Guido Westerwelle von der FDP. Müntefering hält es als Propagandist eher mit Peter Hintze. Hintze, oberster Parteimanager der CDU unter der Ägide Helmut Kohls von 1992 bis 1998, zog als Feldmarschall seines Kanzlers durchs Land und wiederholte dessen Botschaften. Wiederholung der guten Taten Schröders gehört auch zu den Aufgaben Münteferings. Und dann ist er auch der Wadenbeißer. Der, der den politischen Gegner angreift, und dabei gern auch mal ein deftigeres Vokabular verwendet.

Alles das hat Ruprecht Polenz nicht so gern getan. "Mein Stil ist das ruhige stille Werben", hat der bedächtig wirkende Westfale einmal von sich selbst gesagt. Tatsächlich wird in der CDU-Bundesgeschäftsstelle in Berlin der ruhige und menschliche Umgangston gelobt, den Polenz in seiner kurzen Amtszeit pflegte. Doch ein erkennbarer zweiter Mann hinter Parteichefin Angela Merkel wurde er nicht. Betrachtet man die Eigenschaften, die so ein Generalsekretär idealerweise haben sollte, musste der ruhige Polenz seinen Parteifreunden schnell als Mann ohne Eigenschaften erscheinen. Er war nicht der, der zum Angriff auf Rot-Grün blasen konnte. Polenz war eher Merkels "Sekretär" als ein kämpferischer "General".

Angela Merkel, vor ihrer Wahl selbst Generalsekretärin des CDU-Vorsitzenden Wolfgang Schäuble, wurde in ihrem Jahr als "Generalin" schon bald in eine andere, wichtigere Rolle gedrängt. Eigentlich sollte sie die Union nach der Wahlniederlage von 1998 programmatisch vorantreiben. Doch je tiefer sich Schäuble mit der 100 000 Mark-Spende des Waffenhändlers Karlheinz Schreiber selbst in die Spendenaffäre der CDU verstrickte, desto stärker wuchs Merkel als Generalsekretärin in die Rolle der heimlichen Vorsitzenden. Auch deswegen gab es zu ihr als neuer Chefin praktisch keine Alternative, als Schäuble Anfang dieses Jahres als CDU-Parteichef zurücktrat.

Als "geschäftsführender Vorsitzender", verstand sich schon Heiner Geißler, der das Amt des Generalsekretär bis 1989 innehatte. Mit diesen Worten hat er selbst beschrieben, wie er seine Arbeit gesehen haben wollte. Helmut Kohl, seinem Parteivorsitzenden, hat das nicht sonderlich behagt. Auch deswegen ließ Kohl Geißler fallen, der auf dem Parteitag 1989 in Bremen einen Putsch gegen den CDU-Chef mitplante, der aber bereits in den Ansätzen scheiterte. Geißler war, wie vor ihm Kurt Biedenkopf, ein Generalsekretär, der die CDU programmatisch erneuern wollte und zu einer modernen Volkspartei umformte. Anders als Biedenkopf lag ihm aber auch der polemische Angriff auf den politischen Gegner. Nach ihm übernahm Volker Rühe das Amt. Der Hamburger, ebenfalls ein Polemiker, konnte zwar kräftig austeilen, hat die inhaltliche Debatte in der Union aber kaum beeinflusst. Als Generalsekretär einer Regierungspartei hatten es in den 16 Jahren der Kanzlerschaft Helmut Kohls aber alle leichter als Polenz. Es ist eben die Regierung, die an den Megaphonen sitzt und die Tagesordnung bestimmt. Auch Polenz Nachfolger wird das bald merken.

Carsten Germis

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