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Kultur: Politische Verbal-Attacken: Tugend muss sich wieder lohnen

"Der Standpunkt macht es nicht, die Art macht es, wie man ihn vertritt." Theodor FontaneDieser Tage ist es wieder besonders auffällig gewesen.

"Der Standpunkt macht es nicht, die Art macht es, wie man ihn vertritt." Theodor Fontane

Dieser Tage ist es wieder besonders auffällig gewesen. Zwischen den Büttenreden mit politischem Inhalt, in ARD und ZDF übertragen, und den Reden am politischen Aschermittwoch besteht nur ein geringfügiger Unterschied: Am Aschermittwoch kommt man ohne Tusch, Luftschlangen und Konfetti aus. Nur, was bis Rosenmontag selbst die Opfer zum Lachen bringt, muss außerhalb des Karnevals als Beleidigung empfunden werden. Politiker liefern auch im Alltag der Unterhaltungssparte zu. Ihre Reden haben Unterhaltungswert - auf Kosten der Person des politischen Gegners. Das hat seinen Grund. Der Politiker muss sich als Mischung von Harald Schmidt und Stefan Raab aufführen, will er präsent sein.

Politiker ragen dadurch heraus, dass sie sich der Fertigkeiten des Showgewerbes bedienen. Debatten, die leidenschaftlich um Grundsätze geführt wurden und in denen die verbale Auseinandersetzung stets die Sache traf, scheinen Märchen aus vergangener Zeit zu sein. Analysen haben keinen Unterhaltungswert. Die Veränderung sei, hört man, mit dem Umzug nach Berlin gekommen. Was im ersten Augenblick böse klingt, für die Bonner und die Berliner, hat seine Berechtigung: Auch die Medienlandschaft hat gewechselt, die Kommunikationsstrukturen haben sich verändert. Die Kommunikation in Berlin ist quasi beschleunigt. Sie verlangt immer rascher nach immer auffälligeren, reißerischen Nachrichten. Auch persönliche Beleidigungen erfüllen diese Anforderungen.

Das Appellieren an die Moral, an das Gewissen der Politiker, auf das zum Handwerk gehörende Klappern zu verzichten, wo es die Person des politischen Gegners verletzt, aber wird dort ohne Folge bleiben, wo ausgerechnet tugendhafte Redner Gefahr laufen, nicht mehr zitiert zu werden. Das ist das eigentliche Dilemma. Eine Veränderung der politischen Streitkultur wird sich nur da durchsetzen können, wo Tugendhaftigkeit belohnt und untugendhaftes Verhalten sanktioniert wird. Vor Jahren hat der Kabarettist Dieter Hildebrandt einen Anreiz für Politiker geschaffen, verbale Ausfälle zu vermeiden: Mit der Vergabe eines "silbernen Stimmbandknotens" prämierte er die Miesesten. Ein - zugegeben - negativer Anreiz, aber vielleicht nicht ohne Wirkung. Journalisten, Politiker und engagierte Medienkonsumenten könnten gemeinsam ähnliche, wirksamere Verfahren entwickeln und etablieren, um das Dilemma aufzulösen.

Ein anderer Anreiz mit positiver Wirkung wäre die Gewissheit für Politiker, mit Lesern, Zuhörern und Zuschauern rechnen zu müssen, die zu unterscheiden wissen zwischen bloßem Heischen nach Aufmerksamkeit und politischer Sachargumentation. Voraussetzung dafür aber ist der politisch gebildete Bürger. Eine Aufgabe, die an die Schulen, Universitäten und die Einrichtungen der Erwachsenenbildung geht. Um mit Karl Homann zu sprechen: "Mit unaufgeklärten Bürgern ist kein Staat zu machen, vor allem kein moderner."

Elisabeth Jünemann

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