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Rolling Stones

© dpa

40. Todestag: Brian Jones: Rock-Star auf der Verliererseite

Heute vor 40 Jahren starb Brian Jones. H.P. Daniels erinnert an den Rolling-Stones-Gründer und -Gitarristen, der das ungesunde Leben des Rock-'n'-Roll-Outlaws im Gegensatz zu Keith Richards nicht überstand.

- "Hey Mann, du wirst keine dreißig Jahre alt!" sagte Keith.

- "Ich weiß!" sagte Brian.

Ein knapper Dialog - irgendwann in den 60ern - zwischen den beiden Rolling-Stones-Gitarristen Keith Richards und Brian Jones - zitiert von ihrem Bassisten Bill Wyman in seinem Buch "Rolling With The Stones.

Richards hatte recht behalten: kurz vor Mitternacht, vom 2. auf den 3. Juli 1969, trieb der Körper des erst 27-jährigen Brian Jones leblos im Swimming Pool seines noblen Anwesens Cotchford Farm, Sussex, England. Die genauen Umstände sind nie vollständig geklärt worden. Unfall durch Ertrinken, hatte es offiziell geheißen, nach übermäßigem Genuss von Alkohol und Drogen. Tatsächlich war die Gesundheit von Brian Jones zu der Zeit schon eine ganze Weile schwer angeschlagen. Körperlich und seelisch.

Keith Richards überlebte. Er überlebte das gefährlich ungesunde Leben eines "Rock-'n'-Roll-Outlaws", an dem der labilere Jones zerbrochen ist, überlebte Unmengen von Drogen und Alkohol, überlebte Stürze von Bibliotheksleitern und Palmen, überlebte all die anderen tragischen, viel zu jung gestorbenen "Rock-'n'-Roll-Casualities", die Brian Jones, dem ersten toten Rockstar der 60er-Jahre, ins Jenseits folgten: Janis Joplin, Jimi Hendrix, Jim Morrison bis hin zu Kurt Cobain. Keiner von ihnen hat das dreißigste Lebensjahr erreicht. Für sie hatte sich eine in jugendlichem Eifer so leicht und flapsig dahingesagte Redensart auf traurige Weise bewahrheitet: "Live fast! Love hard! Die young!" Junge Rockstars, durch den frühen Tod zum Mythos geworden.

Keith Richards hingegen wurde zur "lebenden Legende". Er wurde älter und älter, wurde alt und überlebte, wie auch die ursprünglich gemeinsame Band von Jones und Richards älter wurde und überlebte: "The Rolling Stones", die "größte Rock-'n'-Roll-Band aller Zeiten" – auch ein Mythos

Vierzig Jahre nach dem Tod von Brian Jones existieren sie immer noch, und vermutlich planen sie gerade ihre nächste Tournee durch die Stadien der Welt.

Allerdings hätte diese große Band gar nicht erst angefangen zu existieren, wäre Brian Jones nicht gewesen, der die Band vor siebenundvierzig Jahren gegründet und nach einem Song des schwarzen Blues-Musikers Muddy Waters benannt hat: "The Rollin' Stones". Mit Apostroph zunächst noch.

Keith Richards und die Stones haben überlebt. Den zerbrechlicheren Brian Jones haben sie unterwegs verloren. Keine drei Wochen vor seinem Tod, am 8. Juni 1969, hatten sie ihn noch in seinem Landhaus besucht: Keith Richards, Mick Jagger und Charlie Watts, um ihn rauszuwerfen aus der Band. Weil er untragbar geworden war für sie, mit seinen Drogen, seiner Paranoia, seiner Unberechenbarkeit, seinen Unzuverlässigkeiten. Hatten sie doch schon gelegentlich ohne ihn auftreten müssen, weil er einfach nicht erschienen ist zu den Konzerten. Außerdem wollten die Stones wieder auf Tour gehen in Amerika, doch Brian bekam wegen seiner Drogen-Verfahren in England keine Einreiseerlaubnis für die USA. Sie mussten eine Entscheidung treffen - schnell und um der Band Willen. Der junge, unverbrauchte Gitarrist Mick Taylor stand schon als Ersatz auf Abruf bereit. Rock 'n' Roll kennt kein Mitleid, keine Gnade. Und die Stones waren "die härteste Band der Welt".

In der Öffentlichkeit haben sie es so dargestellt, als sei es Brians eigener Wunsch gewesen, die Stones zu verlassen. Weil er fand, sie hätten sich musikalisch auseinandergelebt, weil sich das eingeschworene Komponisten-Team Jagger/Richards zu sehr entfernt hatte von Brians geliebtem Blues und R&B, weil er etwas Eigenes machen wollte, mit neuen Mitstreitern. Blues und R&B.

Sie haben ihn rausgeworfen, aus der Band, die ursprünglich seine Idee war. Und drei Wochen später war er tot. Gestorben an "gebrochenem Herzen", wie manche Freunde später sagten. Nachdem er seine Rolle als "Leader" der Stones längst verloren, er sich immer mehr an den Rand gedrängt gefühlt hatte, immer mehr ausgeschlossen aus dem exklusiven inneren Zirkel - von Jagger, Richards und ihrem Manager Andrew Oldham.

Es war ein schwerer Schock für alle Stones-Fans, als sie im Juli 1969 vom Tod im Pool hörten, die Schlagzeilen lasen: "Rolling-Stones-Gitarrist Brian Jones tot!" Für sie war ihre Lieblingsband kaum vorstellbar ohne Brian. Er war es doch, der die Band 1962 gegründet hatte. Der ihren Stil von Anfang an maßgeblich geprägt hatte, mit seiner Liebe für den harten elektrischen Rhythm & Blues aus Chicago, der Musik der schwarzen Vorbilder Muddy Waters, Willie Dixon, Howlin' Wolf, Bo Diddley. Er hatte die Richtung vorgegeben, er wollte, dass seine Stones so klingen wie der harsche Sound von Jimmy Reed – so wie niemand sonst klang in den frühen 60er-Jahren in England. Und so klangen sie dann auch: einzigartig.

Brian Jones wurde am 28. Februar 1942 in Cheltenham geboren. Sein Vater war Luftfahrt-Ingenieur, die Mutter Klavierlehrerin. Solide englische "Middle Class". Doch schon als Jugendlicher wollte Brian anders sein, rebellierte gegen das streng, konservative Elternhaus, gegen dessen gutbürgerliche Wohlanständigkeit, ließ sich die Haare wachsen. Trotzdem hegten seine Eltern die Hoffnung, dass einmal etwas Anständiges wird aus dem intelligenten Jungen. Aber Brian wurde ein "Rolling Stone" - in der damaligen Zeit Synonym für Aufruhr und Rebellion gegen Konventionen und konservative Zwänge.

Brian ging nach London, spielte Gitarre, nannte sich zunächst Elmo Lewis - angelehnt an den Namen des schwarzen Gitarristen Elmore James, von dessen Plattenaufnahmen er sich so viel abgeguckt hatte. Über seinen frühen Mentor Alexis Korner, den "Vater des weißen britischen Blues", lernte er Jagger und Richards kennen. Unter seiner Anleitung wurden sie die Stones und er ihr "Leader". Er managte sie, und mit seiner gebildeten Eloquenz besorgte er ihnen von einer Londoner Telefonzelle aus die ersten Auftritte. Und zweigte für sich - wie es später hieß - immer ein bisschen Extra-Gage ab.

Aber vor allem war Brian Jones ein umwerfender Gitarrist. Erst kürzlich noch bekräftigte der große Songpoet Bob Dylan in einem Interview mit dem "Rolling Stone" seine Bewunderung für den Gitarristen Brian Jones: "(...) Der Einzige, der das damals noch drauf hatte, war Brian Jones von den Rolling Stones. Der konnte (...) Fingerpicking-Rhythmen, die sonst kaum jemand beherrschte. Diese beiden [Dylan spricht hier neben B.J. vom amerikanischen Gitarristen Mike Bloomfield. Anm. d. Verf.] waren damals die einzigen, die einen authentischen, reinen Country-Blues spielen konnten."

Und Brian Jones war der erste in England, der das elektrische Gitarrenspiel mit dem Bottleneck exzellent beherrschte. Diese damals unerhörte, sensationelle Technik der schneidenden Slide-Gitarre, die etwa dem gecoverten Beatles-Song "I Wanna Be Your Man" mit ihrem exorbitanten, harten Klang ihre ganz eigene Note verlieh, den typischen Sound der frühen Stones. Dieses treibende Kreischen und Ächzen über rhythmisch rumpeligem Gegrummel, das sich so gut eignete als Soundtrack zur jugendlichen Rebellion. Gelegentlich ließ Brian Jones dazu noch eine wüst verzerrte Mundharmonika schreien und heulen. Es war rhythmischer Schlamm vom "Themse-Delta".

Sind Mick Jagger und Keith Richards als "Glimmer Twins" heute die herausragenden Figuren der Rolling Stones, so war noch in den 60ern Brian Jones der vielleicht prominenteste Rolling Stone. Der begehrteste, schönste, fotogenste. Der mit seinem eigenen Stil-Empfinden, mit seinen langen, hellblonden Haaren, seinem außergewöhnlichen Haarschnitt, seiner extravaganten Kleidung – mit großen Hüten, Schals, Samt und Seide, mit gestreiften Jacketts und jeder Menge Silberschmuck – Maßstäbe setzte für den androgynen, lässig angeschabten Hippie-Chic des Rock-Jet-Sets kommender Jahre. Der mit seinem außergewöhnlichen musikalischen Talent, seiner Kreativität und seinen Ideen, sowie seinen Fähigkeiten als Multi-Instrumentalist – neben Gitarre spielte er Sitar, Dulcimer, Vibraphon, Akkordeon, Orgel, Mellotron und diverse Blasinstrumente – die Arrangements der Stones verfeinerte.

Brian Jones war der Rock-Star par excellence, einer der größten und bekanntesten seiner Zeit. Von den Beatles wurde er genauso geschätzt und bewundert wie von Bob Dylan und Jimi Hendrix. Pete Townshend von The Who, der in seiner Hymne zum rebellischen Jungsein "My Generation" schon 1965 die Zeile rausballerte "hope I'll die before I get old", sagte am Tag nach dem Tod von Brian Jones: "Heute ist ein normaler Tag für Brian. Er schien immer auf der Verlierseite gestanden zu haben. Ein bisschen mehr Liebe hätte ihm da vielleicht raushelfen können..."

Zwei Tage später, am 5. Juli 1969, spielten die Rolling Stones zum ersten Mal öffentlich mit ihrem neuen Gitarristen Mick Taylor und widmeten ihr, schon länger vorher geplantes Konzert im Londoner Hyde Park vor 250.000 Fans nebenbei auch dem Gedenken von Brian Jones.

H.P. Daniels

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