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Arcade Fire

© AFP

Konzert: Heiliger Krach: Arcade Fire

In der Beliner Columbiahalle waren Arcade Fire zu Gast. Ihr Album "Neon Bible" wurde von den britischen Musikmagazinen geadelt. Das Konzert überzeugte.

Lange hat es gedauert, bis Arcade Fire live das Versprechen einlösten, dass sie mit ihrem Album „Neon Bible“ gegeben haben. Für das britische Musikmagazin „Q“ war diese Platte nicht weniger als der Heilige Gral der Popmusik. Eine in Text und Musik ebenso monumentale wie sakrale Pop-Vision, durchdrungen von der Kenntnis um die Geworfenheit ins Hier und Jetzt. Die längst ausverkaufte Frühjahrstournee musste das Pop-Kollektiv aus Montreal krankheitsbedingt absagen. Jetzt holen Arcade Fire in der zum Bersten gefüllten Berliner Columbiahalle das Versäumte nach.

Die Vorgruppe Wild Light erntet freundlichen Beifall, aber die vier schüchternen Boys wirken zwischen den Bühnenhabseligkeiten der Hauptband wie sehr kleine Vögelchen in einem viel zu großen Nest. Es braucht schon die zehnköpfige Zirkustruppe von Arcade Fire, um dieses Sammelsurium ausgefallener Instrumente, darunter eine gut drei Meter hohe Orgel mit 17 silberschimmernden Pfeifen, in Beschlag zu nehmen. Zum brachial stampfenden Opener „Black Mirror“ muss sich die Band noch sortieren. Sänger und Gitarrist Win Butler sucht nach der richtigen Stimmlage, während um ihn herum der aus ständig wechselnden Richtungen blasende Soundorkan seiner Begleiter einsetzt.

Zum polyphonen Groove von „Keep The Car Running“ hat Butler den leidend heiseren Tonfall voll langgezogener Vokale gefunden, der in gefährlichen Momenten an Bruce Springsteen oder gar Bono erinnert, dennoch eine neue, unverwechselbare Klangfarbe in die Popmusik getragen hat. Bei einigen Stücken bildet der fragile Sopran seiner Frau Régine Chassagne dazu einen reizvollen stimmlichen Kontrast. Gemessen an der akustischen Vielfalt, die Arcade Fire in anderthalb Stunden mit traumwandlerischer Sicherheit zelebrieren, scheinen zehn Protagonisten fast zu wenig.

Aber dies ist eine effiziente Big Band, die sich alle Freiheiten des Indie-Kollektivs erlaubt. Hinten bilden Colin Stetson und Kelly Pratt ein erschütterungsresistentes Bläserduo, davor umranken Sarah Neufeld und Marika Anthony-Shaw die massive Tektonik der Songs mit zarten Streichergirlanden. Dauernd Bässe, Gitarren und Keyboards tauschend toben Richard Parry, Tim Kingsbury und Win Butlers jüngerer Bruder Will wie junge Hunde über die Bühne. Im Auge des Hurrikans trommelt Jeremy Gara stoisch massive Beats, gelegentlich von Multiinstrumentalistin Régine Chassagne abgelöst. Sie ist es auch, die zum majestätischen „Intervention“ endlich die Orgel anwirft: Die lang ersehnten, schwermütigen Akkorde brechen wie eine Sturmflut über die Menge herein, deren Euphorie sich in ohrenbetäubendem Jubel entlädt.

In dem mit eigentümlichen Hits gespickten Repertoire setzen Songs wie „Laika“ oder „Power Out“, deren berückende „Uh- huuh-huuh-hu“-Passagen das Auditorium wie ein mehrere tausend Kehlen starker Seemannschor mitsummt, atmosphärische Glanzlichter. Gegen Ende springt Will Butler waghalsig auf einen Boxenturm und drischt auf eine Trommel ein, deren Fell die Aufschrift „Go big or go home!“ trägt. Für Arcade Fire ist die Sache längst entschieden: Sie sind sehr groß geworden. Jörg Wunder

Jörg W, er

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