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Konzertkritik: Broken Social Scene: Es rockt schwer

Das kanadische Musikerkollektiv Broken Social Scene begeistert das Publikum im Kesselhaus. Vorher weiß man nie, was man bekommt, nur das: "It's gonna be a great show."

Das Kesselhaus ist knallvoll und die Hitze steigert sich als Broken Social Scene, das schillernde Musikerkollektiv aus Toronto um deren Gründungsmitglieder Kevin Drew und Brendan Canning, auf die Bühne kommt: Diese seit 1999 bestehende uneinheitliche Einheit aus diversen wechselnden Einzelmusikern verschiedener kanadischer Bands, bei der man vorher nie genau weiß, wer und was da kommt.

"It's gonna be a great show!" brüllt Kevin Drew in den Jubel der Fans, "this show is for you!" Es heult und jault aus den Verstärkern, eine repetitive metallische Gitarrenphrase schimmert aus dem Gelärme, wie früher bei Grateful Dead, und es entfaltet sich ein Song: "World Sick" vom neuen Album "Forgiveness Rock Record". Jetzt steht da eine Wand aus vier Gitarren: Telecaster, Fender Jaguar, Epiphone Dot 335, Gretsch. Dazu Bass und zwei Schlagwerker. Es rockt schwer. Einer mit Hut, einer mit Schirmmütze. Ein Anzug, ein buntes Hemd, Bebrillte, Klarsichtige, Bärtige und Glattrasierte - alles munter durcheinander. Typen und Musikstile.

Kevin Drew trägt eine Strickmütze überm langen Zottelhaar und Fusselbart. Er singt knurrig tief oder fistelig, legt im nächsten Moment die Gitarre weg, klettert hoch ins Keyboardabteil, um dort gemeinsam mit der barfüßigen Lady Lisa Lobsinger Tasten zu drücken, während vorne Brendan Canning mit der silbernen Telecaster in den Mittelpunkt rückt und singt, und der mit dem Hut hinter ihm ein sägendes und trillerndes Solo auf der Jaguar spielt.

Luftsprünge, Grätschen, gestreckte Beine, gewirbelte Gitarren auf der Bühne, Tanzen und Tosen der Fans im dicht gedrängten Auditorium. Tempo und Hochspannungselektrizität. Fliegende Wechsel bei den Instrumenten und Gesängen. Ein Kommen und Gehen und ständiges Tauschen der Positionen. Beim tollen "Texico Bitches" spielen zwei Bassgitarren, ein anderer Song kommt mit Beatles-Harmoniegesang. Trompete und Tenorsaxophon. Da ist ein Refrain, der an The Clash erinnert, oder ein Riff an The Cure. Alles wird ständig verquirlt und zusammen ergibt das diesen neuen, dynamischen, eigenartigen Broken-Social-Scene-Stil.

Drew holt einen Jungen aus dem Gewühl vor der Bühne, weil ihm dessen T-Shirt gefällt: "Is that Nick Drake on your shirt? Or Jim Morrison? Come up here!" Der Junge bekommt ein Textblatt in die Hand gedrückt und tanzt für einen Song mit, dann kann er wieder gehen.

Weite elektronische Soundlandschaften, in denen ein Hubschrauber landet, mit knatternden Rotorenblättern. Canning spielt Bass durch einen Looper und die Gitarren nageln schwere Achtel in die massive Klangwand. Chaotisch fransen die Stücke aus nach allen Seiten, manchmal spielen mehrere Gitarren parallele Soli, und doch ist trotz aller Lockerheit alles perfekt aufeinander abgestimmt, mit eingespielter Disziplin, sonst würde das hier gar nicht funktionieren, in so präziser Dichte, wo alles ineinander übergeht, und sogar ein defekter Verstärker im fliegenden Wechsel ausgetauscht wird.

Schweres Feedback und Gitarrenschreddern, dann wieder folkige Ruhe zu Neil Youngs "Helpless"-Harmonien. Und in der zweiten Zugabe, "Meet Me in The Basement", einem furiosen Instrumentalstück, kommt noch einmal die komplette Band zurück und orkanartiger Jubel für alle Neune.

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