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Konzertkritik: Chris Farlowe & HamburgBlues Band im Quasimodo

Es ist einer dieser Abende im Quasimodo, wo sich ausgewachsene Männer und solche, die zum Erwachsenwerden inzwischen zu alt sind, gegenseitig anschauen, als würden sie in einen Spiegel sehen.

Ausgewachsene Männer erschrecken: so schnell ist die Zeit verflogen? So alt sind wir geworden? Wie beim Klassentreffen 40 Jahre später. Ach ja.

Überm schweren Bechergetränk mokieren sich einige, dass sie doch gekommen seien, um Chris Farlowe zu hören, und nicht "die da"! Die da vorne auf der Bühne heißen "Hamburg Blues Band", alte Recken aus dem Umfeld von "Lake" und "Interzone". Und der famose Dave "Clem" Clempson, einst bei "Colosseum" und "Humble Pie", spielt die Leadgitarre. In den Polls der englischen Musikpresse rangierte er vor 40 Jahren noch neben Hendrix, Clapton, Page und Beck unter den beliebtesten Gitarristen, später geriet er in Vergessenheit. Dass er immer noch ein vorzüglicher Gitarrist ist mit einem warmen Ton und feinem Gespür für Melodien und kräftige Rock-Riffs, demonstrierte er schon vor drei Monaten beim Konzert der wiedervereinigten Colosseum im knallvollen Kesselhaus. Und heute noch einmal mit der Hamburg Blues Band.

Sie spielen mollig kotelettigen Blues-Rock à la Spooky Tooth vor vierzig Jahren. Schwere Riffs, mittleres Tempo. Gert Lange singt mit heißer Kartoffel-Blues-Stimme, drischt die Rhythmusgitarre und ein paar Schnacks von vor 40 Jahren: "Als ich die Gitarre gekauft hab, war sie gestimmt!" Brüllendes Gelächter im Publikum und Freude über versierte Musiker, schale Witze, solide Unterhaltung.

Chris Farlowe kommt kurz vor Mitternacht, dreht das Mikrostativ erstmal einen halben Meter runter, bevor er aufdreht: "Crazy 'Bout My Baby". Er tanzt wie ein großer Wal, schlägt kräftige Wellen mit seiner Präsenz und seiner expressiven Soul-Stimme, mit der er schon auf seinem größten Hit, dem Stones-Song "Out Of Time", vor 45 Jahren beeindruckte.

Doch aus der Zeit gefallen ist der kolossale 71-Jährige Londoner keineswegs. Entkleidet aller knödelig vibrierenden Manierismen, die er als Sänger von Colosseum noch in den 70ern pflegte, klingt er heute reifer, leidenschaftlicher, überzeugender. Mit brillanten Scat-Improvisationen, immer wieder zwischendrin, Hobbldi-Bobbldi-Wobbldi, vom tiefen Bariton bis in die Donald-Duck-Lage. Mit R&B, Shuffle, Boogie, Soul. Farlowe ist in seinem Element.

Und am besten ist er ganz alleine, ohne Band, nur mit Pianobegleitung und der anrührenden Ballade: "Don't Wanna Love You Anymore". Und zum Schluss noch einmal mit voller Band-Wucht und einer brillanten Version von Steve Mariotts exquisiten Small Faces-Hit "All Or Nothing" von 1966. Zeitlos.

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