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Konzertkritik: Lucinda Williams, Lambchop, Calexico: Drei gewinnt

Kein Vorprogramm auf der Zitadelle, keine Flop-Acts, nur Top-Acts, drei exzellente Bands: Lucinda Williams, Lambchop, Calexico. Alle spielen eine runde Stunde.

Unsicherheiten nur beim unsteten Wetter. Dräuende Wolken. Und dann müssen Lucinda Williams und ihre Band Buick 6 in ein Meer von Schirmen blicken. Auf der Bühne sehen sie aus wie beim Soundcheck: salopp und ungeschminkt im harschen Tageslicht - Lucindas Haare weniger blond als sonst, schwarze Jacke mit eingestickter blumiger Friedensrune auf dem Rücken, Gibson-Akustikgitarre vorne. "Happy Woman Blues" singt sie zu federndem Rockabilly-Beat, den Titelsong vom zweiten Album aus dem Jahr 1980. Das ist lange her, doch seit einiger Zeit ist sie tatsächlich wieder "a happy woman" - neuer Lebensgefährte, alles gut. "Little Honey" heißt die jüngste Platte.

Daher auch weniger bittersüße Country-Musik jetzt, mehr lebensbejahender Rock 'n' Roll. Verstärkt wird die knalligere neue Spielart vom neuen Gitarristen Eric Schermerhorn, der einst Iggy Pop und David Bowie zur Seite stand. Heute - im wilden Wechselspiel mit Chet Lyster, mit aufeinanderprallenden, sowie hin- und herspringenden Riffs und Bottleneck-Slides - verpasst er dem Programm einen kräftigen Keith/Ronnie-Stein-Schlag.

Unfair gegen den Neuen wäre es, laut auszusprechen, dass man zwischendrin doch manchmal den jahrelangen Mitstreiter Doug Pettibone vermisst, vor allem seine Country-Einfärbungen mit der Pedal-Steel. Die Band rockt, Lucinda wippt und lacht.

Nach fünf Songs sind sie richtig in ihrem Element. Eingespielt, voll drauf. "Tears Of Joy" sind die schiere Freude, und Lucindas Stimme knirscht schotterig schön. "Out Of Touch" rollt stampfend wie ein Schaufeldampfer auf dem Mississippi.

"What is this?" fragt die kleine, taffe Lady aus Louisiana vergnügt: jetzt, wo sie die elektrische Gitarre rausgeholt habe, kommt auch die Sonne raus, die Schirme wieder rein. Mattgoldene Sonne, silbrig glänzende James-Trussart-Steelcaster-Gitarre. Mit drei elektrischen Gitarren wird der Biss noch einen Zahn kräftiger, passend zum Song: "Real Live, Bleeding Fingers And Broken Guitar Strings". Und um das gute Dutzend vollzumachen zum Schluss AC/DCs "It's a long way to the top if you wanna rock 'n' roll". Dort ist Lucinda Williams längst angekommen. Ganz oben.

Und schon steht die nächste Band oben, gestiefelt und gespornt, aufgebaut in Reih und Glied. Doch Lambchop warten noch, bis diverse Kabel auf- und abgerollt sind, Frontmann Kurt Wagner auf einem Bänkchen Platz genommen, die Song-Zettel sortiert hat.

Dann ist da sein tiefer, knurriger Gesang, der immer wieder luftig in die Höhe flattert, zu dieser eigenartig einzigartigen Lambchop-Musik: Kammer-Soul-Motown-Funk-Country-Folk. Ach ja, sagt Kurt Wagner, Lucinda Williams sei eine Göttin für ihn. Und sein kleines Orchester aus Nashville, mit Gitarren, Konzertflügel und Besenschlagzeug fitzelt beseelt konzentriert um ihn herum. Am Ende springt Wagner auf in wilder Gospel-Ekstase und singt schließlich eine eigenwillige Interpretation des Sisters-Of-Mercy-Songs: "This Corrosion".

Auch Calexico aus Tucson, Arizone kommen zu siebt, lassen Mariachi-Trompeten in den Abendhimmel strahlen, Wüstenklänge glühen zu Breitwand-Spaghetti-Western-Phantasien. Fliegender Wechsel der Instrumente, von Stimmen und Stimmungen: Bläser, Vibraphon, elektrische, akustische und Bariton-Gitarren, Pedal Steel, Bouzouki, Akkordeon. Englischer und spanischer Gesang. Und der verschmitzte Spaß, etliche Songs beiläufig in Zitate aus dem Rock-Kanon münden zu lassen: "Satisfaction", "Norwegian Wood", Dylans "Silvio" und "I Can See For Miles" der Who. Zur Zugabe holen sie noch einmal Lambchop zurück für einen kompletten Dylan-Song "I Threw It All Away". Kein Ton war weggeworfen, nichts vergeudet an diesem tollen Abend!

H.P. Daniels

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